Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Lyrik im thematischen Längsschnitt/Rebellion/Emma Döltz: Hoffnung

Aus ZUM Projektwiki

Geh’ ich abends durch die lauten Straßen, 1

Schleicht die graue Sorge mir zur Seit’:

Zeigt mir, mit den gichtgekrümmten Fingern,

Meiner Brüder, meiner Schwestern Leid, –

Haucht, mit ihrem giftgetränktem Atem. 5

Den Vorübergeh’nden ins Gesicht, –

Zeigt mir Furchen in den Kinderstirnen

Und wie früh sie junge Körper bricht ...

Tret’ ich ein in die Versammlungshalle,

Bleibt die graue Sorge draußen stehn, 10

Denn sie wagt es nicht in so viel frohe,

Hoffnungsstarke Augen g’rad zu sehn.

Schreit’ ich nachts dann durch die stillen Straßen,

Geht die junge Hoffnung mir zur Seit’,

Und nur fern, in dunkler Häuser Schatten 15

Flattert scheu der Sorge graues Kleid.

aus: Emma Döltz: Die Neue Welt. Illustriertes Unterhaltungsblatt. Hamburg 1909, Nr. 31, S. 246.[1]

Quelle: www.lyrikmond.de/gedichte-thema-11-129.php#2702

Unser erster Eindruck:

Der Text beschreibt, wie das lyrische Ich abends durch die lauten Straßen geht und die Sorgen und Probleme der Menschen sieht. In einer Versammlungshalle findet er Trost und Gemeinschaft, wo die Sorgen draußen bleiben. Die Worte malen ein Bild von Dunkelheit und Problemen, aber auch von Hoffnung und Gemeinschaft.

Inhaltsangabe:

In dem Gedicht begibt sich das lyrische Ich auf einen Spaziergang durch belebte Straßen. Währenddessen wird die "graue Sorge" als Begleiterin präsentiert, die das Leid der Mitmenschen zeigt. In einer Versammlungshalle findet der Autor Schutz vor dieser Sorge, wo die Gemeinschaft Hoffnung und Freude ausstrahlt. Nachts, begleitet von einer positiven Kraft namens "junge Hoffnung", durchstreift das Ich stille Straßen, während die Sorge im Dunkeln verweilt. Das Gedicht reflektiert über die Wechselhaftigkeit von Sorge und Hoffnung, wobei die Gemeinschaft als Ort der Trostes und positiven Aussicht dargestellt wird.

Inhaltsanalyse

Das lyrische Ich geht abends durch laute Straßen, wobei sich die „graue Sorge“ an es heranschleicht. Eine angespannte Atmosphäre wird geschaffen (V. 1-2). Die graue Sorge wird mit metaphorischen "grauen Finger" dargestellt, welche an eine Art Horrorfilm erinnern. Sie bedrücken das Ich mit den Sorgen seiner Mitmenschen (V.3-4). Der giftige Atem der Sorge befällt die Passanten und verstärkt das Gefühl einer Bedrohung (V.5-6). Sogar Kinder, die eigentlich als Symbol für glatte Haut stehen, werden mit faltiger Stirn beschrieben. Es sagt aus, dass die Sorge sich bereits in den Kindergesichtern widerspiegelt (V. 7-8). Eine Versammlungshalle wird als Zufluchtsort vor der Sorge beschrieben, in dem Hoffnung Raum findet (V. 9-10). Der Zusammenhalt der Gemeinschaft symbolisiert einen Kontrast zur Sorge, welche sich in die fröhliche Atmosphäre nicht hinein traut (V.11-12). Nun geht das lyrische Ich durch stille Straßen, welche einen großen Kontrast zu den anfangs erwähnten lauten Straßen darstellen. Dieser Kontrast wird dadurch bestärkt, dass das Ich nun von „junger Hoffnung“ begleitet wird (V. 13-14). Die Sorge bedrückt dass Ich in dem Moment zwar nicht mehr, ist allerdings in der Dunkelheit der Gassen immer noch präsent. Das Leben kann als abwechselndes Spiel aus Hoffnung und Sorge beschrieben werden (V. 15-16).

Sprachanalyse:

Das Gedicht beinhaltet folgende sprachliche Merkmale:

- viele Formulierungen, die -vor allem bedrohliche- Gefühle erzeugen

- einige Mytonomien (z.B. „graue Sorge“ —> grau als Symbol für Trauer/ negative Emotionen)

- Metaphern (z.B. „Furchen auf Kinderstirnen“)

- starke Personifikation der Sorge mit vielen Charaktereigenschaften („bleibt draußen stehen“, „wagt es nicht“)

- Syntax: Enjambement (Zeilensprung); Versende stimmt nicht mit Satzende überein

- großer Kontrast am Ende

Insgesamt unterstützen die verwendeten sprachlichen Mittel die Wirkung des Gedichts stark, da die sowieso schon bedrückende Stimmung durch die nahezu gruselige Personifikation der Sorge und durch bedeutungsvolle Metaphern wie die Heimsuchung von Kinder durch die Sorge ein extremes Gesamtbild erzeugen. Am Ende des Gedichts wird die Stimmung durch den starken Kontrast zwischen Sorge und Hoffnung gehoben.

Formanalyse:

In dem Gedicht ist ein klares Reimschema zu erkennen, das jedoch nicht genau benannt werden kann. Es sind ab Vers 2 durchgängig Kreuzreime zu erkennen, diese werden im jeweils darauf folgenden Vers jedoch durch einen reimlosen Vers unterbrochen. In Vers 2 und 4 ist eine stumpfe Kadenz zu erkennen, sowie in Vers 10 und 12 und in Vers 14 und 16. Vers 6 und 8 bilden eine Ausnahme, da hier sowohl ein zweisilbiger als auch ein einsilbiger Reim vorkommen. Inhaltlich lässt sich kein Grund erkennen, weshalb die Reime als Kreuzreim auftreten, da es hier keinen Zusammenhang gibt.



Interpretiert von: JoANSG, BeRoNSG, JuUNSG, NoSaNSG