Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Lyrik im thematischen Längsschnitt/Jakob van Hoddis: Weltende
Weltende
- Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
- In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
- Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
- Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.
- Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
- An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
- Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
- Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.
- Quelle: Van Hoddis, Jakob. In: Der Demokrat. Berlin 1911
Der erste Eindruck
Es fällt beim ersten lesen sofort auf, dass es ein naturalistisches Gedicht ist, welches auf eine Katastrophe hinweist beziehungsweise hinarbeitet. TibScNSG, MaKrNSG, PaScNSG, LiBNSG
Die erste Wirkung beschreibt ein chaotisches Gefühl, welches auf eine Katastrophe hinausläuft. MarWeNSG, AnPlNSG, AnFrNSG,JoScNSG
Inhalt:
Das vorliegende Gedicht „Weltende“ verfasst von Jakob van Hoddis aus dem Jahre 1911, ist eines der bekanntesten Gedichte aus dem Expressionismus, denn das Gedicht leitet diese Epoche ein und thematisiert wie schon im Titel des Gedichtes angedeutet das Ende der Welt. In der ersten Strophe wird erzählt, wie einem Bürger der Hut wegfliegt, Dachdecker abstürzen und Schreie zu hören sind, während die Flut steigt. Die zweite Strophe beschreibt das Meer, welches im Sturm die Dämme durchbricht. Eisenbahnen fallen von Brücken herab und im vorletzten Vers heißt es: „Die meisten Menschen haben einen Schnupfen“ (V. 7).
Das Geschehen wirkt dramatisch: Geschrei, abstürzende Menschen und Fahrzeuge, Sturm und Überflutung. Auf der einen Seite gibt es die „Menschen“ (V. 7), den „Bürger“ (V. 1), die „Dachdecker“ (V. 3), „die Dämme“ (V. 6) und die „Eisenbahnen“ (V. 8). All dies wird bedroht und zerstört von der „Flut“ (V. 4), dem „Sturm“ (V. 5) und den „wilden Meere[n]“ (V. 5).
Dies stellt eine Gegenüberstellung des vom Menschen geschaffenen und der Naturgewalt dar, der der Mensch zwangsweise unterworfen ist. TibScNSG, MaKrNSG , PaScNSG
In den beiden Strophen des Gedichts werden Gegenstände und Menschen, durch einen starken Wind, umhergewirbelt. Dieses Chaos trägt Unfälle als Folgen mit sich. MarWeNSG, AnPlNSG, AnFrNSG,JoScNSG
Sprache:
Das Gedicht weist einige sprachliche Besonderheiten auf. Eine Auffälligkeit sind die unzusammenhängenden Verse, welche die Apokalypse verdeutlichen und diese sind ein typisches Merkmal für die expressionistische Lyrik. Zusätzlich lassen sich auch rhetorische Figuren wiederfinden, wie beispielsweise die Metapher ,,Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut" (V.1), was das unerwartete und chaotische im Moment des Untergangs betont.
Das sprachliche Bild "In allen Lüften hallt es wie Geschrei" (V.2) erzeugt eine düstere, chaotische und auch apokalyptische Atmosphäre.
Die Metapher der fallenden Dachdecker ,,Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei“ (V.2) symbolisiert die plötzliche und dramatische Zerstörung. Das „Entzwei“ gehen steht für die endgültige Zerstörung.
In Ergänzung dazu findet sich in dem Gedicht eine Spur von Ironie wieder. ,,Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.” (V.7) steht in einem starken Kontrast zu den Ereignissen, welche im Rest des Gedichts geschehen. Der Schnupfen der Menschen kann als Hilflosigkeit gedeutet werden. TibScNSG, MaKrNSG , PaScNSG
Zu Beginn des Gedichts verwendet Hoddis eine Metapher (vgl. V.1). Mit dieser möchte er auf die spießige Bürgerschaft hindeuten.
Anschließend vergleicht er den Sturm mit Geschrei (vgl. V.2). Dies ist eine deutliche Steigerung, des Sturmes, zu dem vorausgegangenen Vers. Diese Steigerung geht ebenfalls über in den dritten Vers, wo die Dachdecker vom Haus stürzen und "entzwei gehen" (vgl. V.3).
Im darauffolgenden Vers wird deutlich, dass die Auswirkungen des Sturms weit reichen, da das lyrische Ich steigende Fluten beschreibt, über welche es gelesen hat (vgl. V.4). Dies unterstützt nochmals die Stärke des Sturms.
Zu Beginn der zweiten Strophe verwenden Hoddis eine Metapher (vgl.V5), mit dieser wird erneut die Ausmaße des Sturms verdeutlicht und gezeigt, dass seinen eigenen Willen hat. Die „dicken Dämme“ (vgl. 6) verdeutlichen, die Kraft des Meeres und die Angst der Menschen vor dieser Kraft. Aufgrund der darauf folgenden Anapher „die“ (Zeile 7 und 8) wird angenommen, dass die beiden Verse inhaltlich miteinander verknüpft sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im ersten Vers der Anapher wird der Sturm trotz der vorherigen negativen Beschreibung verharmlost. Im darauffolgenden Vers werden jedoch die schweren Auswirkungen des Sturms wieder aufgegriffen, als beschrieben wird, wie eine Eisenbahn von einer Brücke fällt (Vers 8).
Auffällig ist außerdem, dass einige Verse einen Kontrast zueinander darstellen oder sich sogar komplett inhaltlich widersprechen. Dies wird auch als „Reihungsstil“ bezeigtet und ist ein charakteristisches Merkmal der Lyrik und verdeutlicht erneut das Chaos, dass im Gedicht inhaltlich so wie auch sprachlich wiederzufinden ist. MarWeNSG, AnPlNSG, AnFrNSG,JoScNSG
Form:
Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils 4 Versen.Das Metrum des Gedichts ist ein Jambus und in der ersten Strophe ist ein umarmender Reim sowie ausschließlich männliche Kadenzen zu erkennen. Im Gegensatz dazu ist in der zweiten Strophe ein Kreuzreim und ausschließlich weibliche Kadenzen zu finden. Jeder Vers bildet eine eigene Sinnhaftigkeit und sind somit unverbunden.Alle diese Sinneinheiten stehen in keinem offensichtlichen Zusammenhang mit den anderen Einheiten, so dass sich für den Leser der Eindruck erweckt, dass das Gedicht wirr, chaotisch oder zusammenhanglos wirkt. Durch die Form des Gedichts, wirkt das Gedicht sehr geordnet und ruhig.Im Kontrast zur Form steht der Inhalt, welcher eine Apokalypse beschreibt. TibScNSG, MaKrNSG , PaScNSG
Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils vier Versen. Das Metrum ist ein Jambus, welcher zu einem Spannungsgefühl im gesamten Gedicht beiträgt.Die Kadenzen sind in der ersten Strophe sind ausschließlich stumpf (männlich), während sie in der zweiten Strophe nurklingend (weiblich) sind. Diese Unstimmigkeiten, gehen mit dem Inhalt des Gedichts einher, indem sie den Sturm darstellen.Dies lässt sich ebenfalls durch das Reimschema unterstützen, da es sich in der ersten Strophe um einen umarmenden Reimhandelt, während es in der zweiten Strophe ein Kreuzreim ist. MarWeNSG, AnPlNSG, AnFrNSG,JoScNSG
Entstehungshintergrund:
Ein typisch expressionistisches Thema ist die Kritik an der Großstadt, der Industrialisierung und dem Zerfall der Gesellschaft. Im Hinblick darauf könnte man den Inhalt des Gedichtes so verstehen: Die Menschheit und alles was von ihr geschaffen wurde ist nicht beständig. Die Gesellschaft zerbricht, da sie die Macht der Natur unterschätzt. TibScNSG, MaKrNSG , PaScNSG , LiBNSG
Das Gedicht „Weltende“ von Jakob van Hoddis gehört in die Epoche des Expressionismus (1910-1925). Das Gedicht entstand in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und der Unsicherheit im frühen 20 Jahrhundert, kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Zudem ist es ein sehr bekanntes Gedicht für diese Epoche. Eines der Epochenmerkmale, ist die Weltuntergangsstimmung. Diese lässt ich direkt im Titel „Weltende“ wiederfinden. Vor allem die Angst vor dem Untergang der Welt ist ein häufiges Motiv im Expressionismus. Ein weiteres Motiv sind die Apokalyptischen Bilder, wie zum Beispiel die katastrophalen Naturereignisse die in dem Gedicht zu finden sind. MarWeNSG, AnPlNSG, AnFrNSG,JoScNSG
https://de.wikipedia.org/wiki/Weltende_(Jakob_van_Hoddis)[1]