Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Lyrik im thematischen Längsschnitt/Eva Strasser: Die Welt steht still
Die Welt steht still (2020)
Die Welt steht still
gefrorene Ohnmacht
unwirkliche Ruhe schwebt
über den Plätzen
Vögel begehen Selbstmord
Mauern stürzen ein
Die Stadt ist eine Wüste
die Blumen sind gebrochen
(c) Eva Strasser: Splitter aus der Quarantäne. Ein Corona-Tagebuch.
Deutungshypothese
Das Gedicht handelt von der Corona-Pandemie und die dadurch ausgelöste Quarantäne. Es thematisiert die entstandene Leere in dieser Zeit. Es hat einen Eindruck von Leere und Ruhe, diese Aspekte erzeugen ein Gefühl von Freiheit und Geborgenheit.(ToWNSG)
„Die Welt steht still” ist ein düsteres und hoffnungsloses Gedicht. (MiBNSG)
Inhaltsanalyse
Das lyrischer Ich beschreibt die Stille in der Welt während des Lockdowns und die Stimmung, die durch diese Situation entsteht: Stillstand (V. 1). Es wirkt so, als hätte jemand einen Blick auf die ganze Welt. Die Überschrift erweckt die Erwartungen, dass es um genau die Stille geht, die im Gedicht behandelt wird. Sie beinhaltet ja auch dieselben Worte. Deswegen passt der Titel sehr gut zum Text. (ToWNSG)
Es herrscht eine gefrorene Ohnmacht (V.1-2). Über den Plätzen schwebt eine unwirkliche Ruhe und Vögel begehen Selbstmord (V.3-5). Mauern sind eingestürzt, die Stadt ist eine Wüste und Blumen sind gebrochen(V.7-9). (MiBNSG)
,,Unwirkliche Ruhe‘‘ (V. 3) ist z.B. eine Folge und diese kommt einem schier unvorstellbar, surreal vor. ,,Mauern stürzen ein‘‘(V.5) bedeuten, dass die Schutzmauer weg ist, die Sicherheit verloren geht. ,,Die Stadt ist eine Wüste‘‘(V.7), damit verbinde ich die Adjektive wie verlassen oder trocken. (ToWNSG)
Sprachanalyse
Das Gedicht enthält viele sprachliche Bilder ,,Die Welt steht still" (V.1) drückt eine gewisse Schutzlosigkeit aus, da sich die Erde nicht mehr bewegt und so angreifbarer ist. Ein Gefühl von Schutzlosigkeit ist erneut in dem zweiten Vers zu finden in der ,,gefrorene(n) Ohnmacht" (V. 2). (ToWNSG)
„Gefrorene Ohnmacht” (V.2) ist ein Chiffre, ohne Hintergrundwissen zu dem Corona Virus Wüsste man nicht was es bedeutet. Es bedeutet, dass man sich kalt und gefühllos fühlt. (MiBNSG)
,,Unwirkliche Ruhe" (V.3) ist eine Beschreibung der Situation, die dort im Moment vorliegt. Diese Ruhe wird nun in dem nächsten Vers erneut verdeutlicht (,,über den Plätzen", V. 4), denn über den vorher gefüllten Plätzen schwebt nun Ruhe und sie sind leer. ,,Vögel begehen Selbstmord" (V. 5) vermittelt einem ein Gefühl von Hilflosigkeit, da sogar die Vögel es nicht mehr aushalten und Suizid begehen. ToWNSG
Suizid als Symbol der Trauer, Verzweiflung und auch Sehnsucht ein Ende zu finden. Die Menschen wollen dem schrecklichen Zustand, der Quarantäne eine Ende setzen. (VaENSG)
In dem sechsten Vers ist erneut eine Metapher zu finden: ,,Mauern stürzen ein" (V. 6). Die Mauern stehen hier für die Gesellschaft, die nun auch einstürzen und zum wiederholten Mal der Schutzlosigkeit preisgeben. Gefallene Mauern geben einem jedoch sonst ein Freiheitsgefühl.
„Mauern“(V.6), symbolisieren Sicherheit, Rückzug und Schutz, doch dieser geht verloren, da sie einstürzten. (VaENSG)
,,Die Stadt ist eine Wüste" (V. 7), die Stadt ist also wie leergefegt und man ist quasi wie auf dem Präsentierteller, wenn man sich hinaus begibt. ToWNSG
,,Die Blumen sind gebrochen" (V. 8), hier sind die Blumen eine Metapher für die Menschen, die während dieser Zeit eine gebrochene Seele haben. ToWNSG
„Die Stadt ist eine Wüste“(V.7), eine weitere Metapher, die auf Leere auf der Welt, verlassene Geschäfte, Plätze oder Häuser hindeutet. In Bezug auf die Wirtschaft kann man schließen, dass leere Geschäfte und leere Plätze, dafür sorgen, dass das Wirtschaftssystem zerbricht. Die Geschäfte leiden und dadurch verlieren Menschen ihre Arbeit oder können nichts mehr finanzieren. (VaENSG)
„Gebrochene Blumen“(V.8), als Metapher für Verletzlichkeit. Blumen stehen für Herzen, gebrochene Herzen, die Menschen sind verletzt, verzweifelt, verlieren die Hoffnung. Etwas zerbrochenes kann schlecht wieder repariert werden. Der Zustand kann nicht verbessert, gelöst werden und niemand kennt eine richtige Lösung. (VaENSG)
Formanalyse
Das Gedicht besteht aus einer Strophe, in dieser sind acht Verse enthalten. In diesen Versen sind keine Kommas oder Punkte enthalten. Dadurch wirkt das Gedicht unübersichtlicher und der Inhalt kommt sozusagen auf einmal auf einen zu. Außerdem ist kein regelmäßiges Metrum erkennbar und diese freien Rhythmen unterstützen nur noch stärker dieses Chaos, was durch die nicht vorhandene Zeichensetzung entsteht. Eine andere ungewöhnliche Auffälligkeit in der Form dieses Gedichtes ist, dass es kein Reimschema enthält. Es reimt sich nicht einmal unregelmäßig, sondern garnicht. Es sind keinerlei Reime enthalten. ToWNSG
Trotz der Kürze des Gedichts verbirgt sich viel dahinter. Dadurch, dass es weder Kommas, noch Punkte gibt, wirkt das Gedicht umschlossener, eher als ein Ganzes. Alles soll aufeinander aufbauen und zusammenhängen. Es entstehen keine Pausen, alles wird aufeinmal thematisiert. Dieser Aufbau lässt das Gedicht einerseits unübersichtlich wirken, aber auch so, dass alles gleich viel wiegen soll. Corona verbreitet sich unfassbar schnell und es fehlt die Übersicht, man darf keine Probleme, Menschen vernachlässigen. (VaENSG)
Kein Metrum gilt für alle Verse. In Vers 1 ist ein 2-hebiger Jambus gegeben und in Vers zwei kann man den Daktylus heraus analysieren. Auch ein 3-hebiger Trochäus ist in Vers 6 gegeben oder ein ein 3-hebiger Jambus in Vers 7 und auch Vers 8. Kein eindeutiges Metrum erzeugt die Wirkung von Chaos, keine Orientierung, keine richtigen Vorgaben. Corona hinterlässt eine Spur von Chaos, es gibt keine klaren Regeln, alles muss sich noch ordnen und es fehlt die Orientierung und der Halt. (VaENSG)
Ebenfalls sind keine Reime zu erkennen. Reime lassen ein Gedicht eher harmonisch, kompakt und verbunden klingen, dies ist hier nicht wiederzufinden. Die Reime hätten eine Struktur geschaffen, doch passend zum Inhalt, herrscht hier keine Ordnung. Die Corona-Pandemie lässt die Welt in Chaos verlaufen, keiner behält die Orientierung, es fehlen klare Regeln der Regierung, niemand weiß genau, wie man mit der Situation umgehen soll. Corona kam wie aus dem Nichts und die Menschen wurden überrascht. Genauso ungewöhnlich, ist es wenn Gedichte keine klaren Reime haben. [VaENSG]
Entstehungshintergrund
Eva Strasser berichtet aus ihrem Tagebuch über die Corona-Zeit. Sie will zeigen, wie sich Abgeschiedenheit auf die Menschen auswirkt und wie sich die Wahrnehmung auf Grund der Krise verändert. (MiBNSG)
Insgesamt wird die Lage überdramatisiert und viel mit Metaphern gearbeitet. Das Gedicht sagt aus, dass das lyrische Ich die Lage extrem schlimm findet und sogar darunter leidet. Meiner Meinung nach trifft das Gedicht nicht vollkommen zu, da es so schlimm auch nun wieder nicht ist und die Lage übertrieben beschrieben wird. [NiHNSG]
Einzelnachweise
- Quelle: Die Welt steht still.[1]