Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Lyrik im thematischen Längsschnitt/Gedichte und Songtexte
Mascha Kaléko: Der kleine Unterschied (ca. 1940)[Bearbeiten]
Es sprach zum Mister Goodwill
ein deutscher Emigrant:
"Gewiß, es bleibt dasselbe.
sag ich nun land statt Land,
sag ich für Heimat homeland
und poem für Gedicht.
Gewiss, ich bin sehr happy:
Doch glücklich bin ich nicht."
(aus: In meinen Träumen läutet es Sturm; Gedichte und Epigramme aus dem Nachlass)
Biographie
Paul Celan: Todesfuge (1944/45) [Bearbeiten]
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus
Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith.
aus: Paul Celan: Der Sand aus den Urnen (1947)
Biographie
Nelly Sachs: Gebete für den toten Bräutigam (1946) [Bearbeiten]
Die Kerze, die ich für dich entzündet habe,
Spricht mit der Luft der Flammensprache Beben,
Und Wasser tropft vom Auge; aus dem Grabe
Dein Staub vernehmlich ruft zum ewgen Leben.
O hoher Treffpunkt in der Armut Zimmer.
Wenn ich nur wüßte, was die Elemente meinen;
Sie deuten dich, denn alles deutet immer
Auf dich; ich kann nichts tun als weinen.
Wenn ich nur wüsste,
Worauf dein letzter Blick ruhte.
War es ein Stein, der schon viele letzte Blicke
Getrunken hatte, bis sie in Blindheit
Auf den Blinden fielen?
Oder war es Erde,
Genug, um einen Schuh zu füllen,
Und schon schwarz geworden
Von soviel Abschied
Und von soviel Tod bereiten?
Oder war es dein letzter Weg,
Der dir das Lebewohl von allen Wegen brachte
Die du gegangen warst?
Eine Wasserlache, ein Stück spiegelndes Metall,
Vielleicht die Gürtelschnalle deines Feindes,
oder irgend ein anderer, kleiner Wahrsager
Des Himmels?
Oder sandte dir diese Erde,
Die keinen ungeliebt von hinnen gehen lässt,
Ein Vogelzeichen durch die Luft,
Erinnernd deine Seele, dass sie zuckte
In ihrem qualverbrannten Leib?
aus: Nelly Sachs: In den Wohnungen des Todes (1947)
Reiner Kunze: Die Antenne (1965) [Bearbeiten]
I
Sie abzusägen, drohte
die straße
Die antenne flüchtete
unter den first, hier
zeigte sie auf sie
das haus
Die antenne flüchtete
ins zimmer, hier
zeigten auf sie
die Wände
Die antenne flüchtete
in den kopf, er
bot sicherheit
II
vorerst.
aus: Reiner Kunze: Quelle fehlt.
Udo Jürgens: Griechischer Wein (1974) [Bearbeiten]
1 Es war schon dunkel
Als ich durch Vorstadtstraßen heimwärts ging
Da war ein Wirtshaus
Aus dem das Licht noch auf den Gehsteig schien
5 Ich hatte Zeit und mir war kalt, drum trat ich ein
Da saßen Männer mit braunen
Augen und mit schwarzem Haar
Und aus der Jukebox erklang Musik
Die fremd und südlich war
10 Als man mich sah
Stand einer auf und lud mich ein
Griechischer Wein ist
So wie das Blut der Erde
Komm', schenk dir ein
15 Und wenn ich dann traurig werde
Liegt es daran
Dass ich immer träume von daheim
Du musst verzeihen
Griechischer Wein
20 Und die altvertrauten Lieder
Schenk' nochmal ein
Denn ich fühl' die Sehnsucht
Wieder, in dieser Stadt
Werd' ich immer nur ein Fremder sein, und allein
25 Und dann erzählten sie mir von grünen Hügeln, Meer und Wind
Von alten Häusern und jungen Frauen, die alleine sind
Und von dem Kind das seinen Vater noch nie sah
Sie sagten sich immer wieder
Irgendwann geht es zurück
30 Und das Ersparte genügt zu
Hause für ein kleines Glück
Und bald denkt keiner mehr daran
Wie es hier war
Griechischer Wein ist
35 So wie das Blut der Erde
Komm', schenk dir ein
Und wenn ich dann traurig werde
Liegt es daran
Dass ich immer träume von daheim
40 Du musst verzeihen
Griechischer Wein
Und die altvertrauten Lieder
Schenk' nochmal ein,
Denn ich fühl' die Sehnsucht
45 Wieder, in dieser Stadt
Werd' ich immer nur ein Fremder sein, und allein
Songwriter: Donald Black / Michael Kunze / Udo Jürgens
Songtext von Griechischer Wein © BMG Rights Management
Karat: Über sieben Brücken musst du gehn (1978) [Bearbeiten]
Manchmal geh ich meine Straße ohne Blick
Manchmal wünsch ich mir mein Schaukelpferd zurück
Manchmal bin ich ohne Rast und Ruh
Manchmal schließ ich alle Türen nach mir zu
Manchmal ist mir kalt und manchmal heiß
Manchmal weiß ich nicht mehr was ich weiß
Machmal bin ich schon am Morgen müd
Manchmal such ich Trost in einem Lied
Über sieben Brücken musst du gehen
Sieben dunkle Jahre überstehn
Sieben Mal wirst du die Asche sein
Aber einmal auch der helle Schein
Manchmal scheint die Uhr des Lebens still zu stehn
Manchmal scheint man nur im Kreis zu gehen
Manchmal ist man wie von Fernweh krank
Manchmal sitzt man still auf einer Bank
Manchmal greift man nach der ganzen Welt
Manchmal meint man dass der Glücksstern fällt
Manchmal nimmt man wo man lieber gibt
Manchmal hasst man das was man doch liebt
Über sieben Brücken musst du gehen
Sieben dunkle Jahre überstehn
Sieben Mal wirst du die Asche sein
Aber einmal auch der helle Schein
Über sieben Brücken musst du gehen
Sieben dunkle Jahre überstehn
Sieben Mal wirst du die Asche sein
Aber einmal auch der helle Schein
(Version 2003)
Quelle: Musixmatch
Songwriter: Ulrich Swillms;
Marius Müller-Westernhagen: Freiheit (1987) [Bearbeiten]
Die Verträge sind gemacht
Und es wurde viel gelacht
Und was Süßes zum Dessert
Freiheit, Freiheit
Die Kappelle rum–ta–ta
Und der Papst war auch schon da
Und mein Nachbar vorneweg
Freiheit, Freiheit
Ist die einzige, die fehlt
Freiheit, Freiheit
Ist die einzige, die fehlt
Der Mensch ist leider nicht naiv
Der Mensch ist leider primitiv
Freiheit, Freiheit
Wurde wieder abbestellt
Alle, die von Freiheit träumen
Sollten's Feiern nicht versäumen
Sollen tanzen auch auf Gräbern
Freiheit, Freiheit
Ist das Einzige was zählt
Freiheit, Freiheit
Ist das Einzige was zählt.
Songwriter: Claudio Bucher / Michael Kurth / Marius Mueller-Westernhagen
Songtext von Freiheit © Warner Chappell Music, Inc
Freiheit live 1989: https://www.youtube.com:
Eva Strasser: Die Welt steht still (2020) [Bearbeiten]
Die Welt steht still
gefrorene Ohnmacht
unwirkliche Ruhe schwebt
über den Plätzen
Vögel begehen Selbstmord
Mauern stürzen ein
Die Stadt ist eine Wüste
die Blumen sind gebrochen
Aus Eva Strasser: Splitter aus der Quarantäne. Ein Corona-Tagebuch. Sonderausgabe literaturkritik.de. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg 2020