Wendepunkte des 20. Jahrhunderts/These vom „Ende der Geschichte“ (Fukuyama)
These vom Ende der Geschichte (Francis Fukuyama)
Autorin: LS
Francis Fukuyama wuchs bei seiner akademisch geprägten Familie in New York auf. Er studierte zunächst politische Philosophie und machte schließlich seinen Abschluss in Politikwissenschaften an der Harvard University. Anschließend war er unter anderem für die US-amerikanische Regierung tätig und arbeitete für etliche hoch angesehene Universitäten als Professor.
Eines der von ihm verfassten Werke „The End of History“erschien im Jahre 1992. Es ist inhaltlich von dem Systemkonflikt zwischen kapitalistischer Demokratie und planwirtschaftlichem Staatskommunismus geprägt. Grob gesagt, vertrat Fukuyama die These, dass der ökonomische und politische Liberalismus sich weltweit in Form von Demokratie und Marktwirtschaft durchsetzen werde, und dies die einzige Möglichkeit für einen Fortgang der Geschichte sei. Dieses System befriedige im Vergleich zu anderen am besten das menschliche Bedürfnis nach sozialer Anerkennung. Wenn sich dieses System durchsetzen würde, entfalle der Kampf um Anerkennung und somit auch der Antrieb der Geschichtsentwicklung.
Er ist fest davon überzeugt, dass sich die liberale Demokratie überall auf der Welt durchsetzen werde, und falls es noch irgendwo Defizite gäbe, dann sei dies kein Mangel des Systems selbst, sondern liege nur der Umsetzung. Trotz aller Überzeugung verheimlicht Fukuyama nicht die Kritikpunkte an dem liberaldemokratischen Modell, wie beispielsweise soziale Ungleichheit. Ebenfalls sagt er kein schnelles Durchsetzen des Systems voraus. Er beruft sich immer wieder auf die Philosophen Karl Marx und Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Nach deren Ansicht entwickele sich die Geschichte durch Kämpfe (bei Marx: Klassenkämpfe), die zu einem Endzustand führen. Das Ende der Geschichte heißt also nicht, dass keine Ereignisse mehr stattfinden, sondern lediglich, dass sich nichts mehr an den grundlegenden Prinzipien und Institutionen ändert. Grund für diese Annahme einer „Universalgeschichte“ ist das immer weiter steigende Interesse an Naturwissenschaften, die für wirtschaftliche und militärische Interessen durchaus wichtiger wurden, sowie das Bedürfnis nach Anerkennung (Hegel). Der Kampf der Menschen gegen die Natur und der Kampf der Kulturen untereinander seien die treibenden Kräfte für geschichtliche Entwicklung und Fortschritt, und fänden laut Fukuyama ihr friedliches Ende in Kapitalismus und Demokratie.
Kritiker*innen wenden jedoch ein, dass Demokratie verbunden mit kapitalistischen Prinzipien keinesfalls die endgültige Lösung sein könne. Die unteren Bevölkerungsschichten würden durch eine generelle soziale Ungerechtigkeit mit klaren Gewinnern und Verlierern extrem ausgebeutet. Eine wirkliche Perspektive im Kapitalismus sei nur für die Vermögenden möglich. Ebenfalls seien traditionelle tribale Kulturen und einige Religionsgruppen nicht anpassungsfähig genug, um sich diesem kapitalistisch-demokratischen System anzupassen. Es käme statt einer Angleichung eher zu einer Art „Kampf der Kulturen“. Ebenfalls nahm Fukuyama den christlichen Glauben als einzige Religion für den demokratischen Kapitalismus an. Dies führte ebenfalls dazu, dass sich seine These im Diskurs nicht durchsetzen konnte. Generell führe das für Fukuyama am meisten durchsetzungsfähige System in einigen Teilen zu Erfolg und Sicherheit, jedoch keinesfalls zu Gemeinschaftsgefühl oder der freien Entfaltung der Identität. Diese Aspekte würden von einigen Ethnien viel stärker hervorgebracht, und bildeten dadurch eine weltanschauliche Alternative, die die tiefsten Bedürfnisse des Menschen befriedige.
Francis Fukuyama (2005), Francis Fukuyama at Nexus Institute, by Robert Goddyn, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Relevanz der These vom „Ende der Geschichte“
Autorin: MT
Der Politikwissenschaftler, Francis Fukuyama, stellt 1992 die ‘‘‘These vom „Ende der Geschichte“‘‘‘ auf, sie bleibt aber eine Theorie, die wahrscheinlich nie in die Praxis übergehen wird.
Dass der ökonomische und politische Liberalismus sich weltweit in Form von Demokratie und Markwirtschaft durchsetzen werde und dabei nur positive Aspekte hervorbringe, sei ein Irrglaube.
Würde sich das System jedoch langfristig durchsetzen, existiere der ewige Kampf des Menschen um Anerkennung nicht mehr, der Antrieb der Geschichtsentwicklung verschwinde damit zugleich – Unsere Geschichte steht still.
Doch Fukuyama erklärt auch in seinem in 1992 erschienen Buch ‘‘„The End of History“‘‘ die unvermeidbaren Kritikpunkte seiner Theorie.
Unter anderem käme soziale Ungleichheit zu Folge, die durch den extremen Kapitalismus fatal sei – die sowieso schon in Ländern teils sehr große Schere zwischen Arm und Reich würde expandieren.
Es gäbe nur noch klare Gewinner und klare Verlierer des Extrems. Langzeitig behauptet der Politikwissenschaftler, dass sich dieses System in der Zukunft irgendwann überall durchsetze, es sei ein langatmiger, schleichender Prozess.
Eine fast 30 Jahre alte These wird auch heute noch breit diskutiert, Fukuyama gibt nicht auf und versucht sie auch heute noch immer wieder zu revidieren.
Aspekte wie die wachsende „nationalistische Internationale“; das Internet, welches die Herrschaft der Institutionen und Autoritären untergrabe; niemand glaube nach etlichen Finanzkrisen mehr an den Markt und noch viele weitere Faktoren seien dafür verantwortlich, dass die These von 1992 sich bis jetzt nicht behaupten konnte.
Aber sei das Internet unter anderem Schuld, so kann man sich fragen, ob Fukuyamas Ansatz sich jemals durch die fortlaufende Digitalisierung der Gegenwart, durchsetzen könne.
Seiner Meinung nach seien Länder, in denen das System später nicht aufginge, kein Fehlschuss seiner Theorie, sondern lediglich ein Beispiel einer schlechten Umsetzung.
Die Relevanz der These für unsere Gegenwart, dass unsere Geschichte irgendwann endet, ist nach drei Jahrzenten anhaltend umstritten.
Francis Fukuyama muss seine Ansätze immer wieder verteidigen, denn bis heute ist die vermutete Zukunftsvision nicht eingetroffen, die beiläufige These beeinflusst aber unser gegenwärtiges Leben nicht.
Die soziale Marktwirtschaft, enthält auch in Deutschland Züge des Kapitalismus‘, doch ob sich in ferner Zukunft Fukuyamas Zukunftsvision verwirklicht, steht in den Sternen.
Doch eines ist sicher: Geschieht dies, erleben wir einen regelrechten Kampf der Kulturen.
In einer Welt ohne Streben nach Anerkennung, kann es jedoch auch zu einem wirtschaftlichen Zerfall kommen, denn wenn niemand nach etwas strebt – wie sollen wir in einer funktionierenden Wirtschaft leben?
Zusammenfassend muss man hier nicht nur über die wirtschaftlichen Aspekte nachdenken, sondern auch über die Kultur des Menschen.
So ist sicher, dass auch trotz der Möglichkeit zum finanziellen Aufstieg, kein Mensch in einem System leben wolle, das keine sozialen Aspekte des gemeinsamen Lebens aufgreift.
Quellen
Josef Joffe, „Ende der Geschichte, eine Kolumne von Josef Joffe“, in: Die Zeit Nr. 25/2014, 12.Juni 2014 [1], (24.03.2020).
Stefan Jordan, „Francis Fukuyama und das „Ende der Geschichte““, Version 1.0, Veröffentlicht in: [2], 30.05.2011 (24.03.2020).
Jochen Trum, „Francis Fukuyama ,Identität´“, Deutschlandfunk, 04.02.2019, [3], (24.03.2020).