Wendepunkte des 20. Jahrhunderts/Paris
1968 international: Paris
AR
1968, und in Frankreich insbesondere der Mai 1968, war „das Jahr, das die Welt veränderte, sagte der amerikanische Journalist Mark Kurlansky. Obwohl in den Jahren 1967–1968 fast überall auf der Welt Jugend- und Studentenaufstände ausbrachen, ist der Pariser Aufstand unter dem Namen "Mai 68" zu einer Ikone dieser Protestbewegungen geworden.
Tausende Student*innen gingen auf die Straßen und protestierten für eine Verbesserung der
Studienbedingungen. es wurden ebenso politische Forderungen zum Thema Arbeitslosigkeit, Konsumgesellschaft oder Kapitalismuskritik vorgebracht. Zudem gab es Forderungen der Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg und zur Demokratisierung der Gesellschaft.
Im „Französischen Mai“ wurde etwas wahr, was in anderen Ländern noch nicht passierte, die Studentenproteste trafen mit einem nationalen Aufstand der französischen Arbeiterschaft zusammen und verbanden sich zu einem gemeinsamen Aufstand.
Der Aufstand führte zu gewalttätigen sozialen Unruhen im ganzen Land,wodurch die
Wirtschaft wochenlang lahm gelegt war. Diese Demonstrationen und Barrikaden im Pariser Quartier erinnerten manchen an die Französische Revolution. Die Bereitschaftspolizei CRS wurde durch Sprechchöre und Graffiti mit der deutschen SS verglichen.
Wie kam es dazu?
Anfang 1968 wurden nur wenige Fabriken wegen des leichten Anstiegs der Arbeitslosigkeit bestreikt, jedoch sorgten Konflikte zwischen Studenten und Universitätsleitungen um das Recht auf freie Meinungsäußerung vereinzelt für mehr Aufsehen.
Als die Literarische Fakultät in Nanterre nach ersten Protesten geschlossen wurde, sprang der Funke nach Paris über. Die Studenten besetzten die Sorbonne(ein Gebäude im Pariser Quartier Latin/die Pariser Traditionsuniversität). Die Polizei räumte die Universität am 3. Mai. Die allgemeine Wut über die Brutalität der Maßnahmen eskalierte bald so stark, dass die Gewerkschaften am 13. Mai zu einem eintägigen Generalstreik aufriefen.
Die Streikbewegung breitete sich im ganzen Land aus und deckte fast alle Lebensbereiche ab. Teilweise trennten sich jedoch die Wege der aufständischen Protestgruppen und der Gewerkschaften nach einiger Zeit wieder.
Die Folgen:
Auf Initiative von Premierminister Georges Pompidou wurde verhandelt, sodass am 27. Mai Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Regierung das Abkommen von Grenelle unterzeichneten und eine Erhöhung des Mindestlohns (35%), Lohnerhöhungen, kürzere Arbeitszeiten, Mitbestimmung und andere Verbesserungen im Arbeitsrecht beschlossen.
Mit den „Accords de Grennelle“ kam es zu einer Veränderung, die durch die Auflösung der Nationalversammlung am 30. Mai, durch Ankündigung von Neuwahlen für den 23. Juni und durch gaullistische Gegendemonstrationen im ganzen Land, was die Protestierenden, die für einen Umsturz waren, erstmals in die Defensive brachte.
Im Juni beendeten die Gewerkschaften die Streikbewegung, was mit vielen Schwierigkeiten einherging. Die Wahlen, die als "beängstigende Wahlen" in die Geschichte eingingen, bestätigten die konservativen Parteien der Regierung an der Macht.
Relevanz für die Gegenwart
Autorin: JoMa
Obwohl der Pariser Mai `68 keine großen politischen Erfolge verbuchen konnte, ist er doch noch immer für die Gesellschaft damals sowie heute relevant.
Der Pariser Mai hatte einen großen Einfluss auf die französische, sowie auf die deutsche Gesellschaft. Die Aufstände prägten ein „linkes“ Frankreichbild, welches über Generationen hinweg erhalten blieb und vor allem auf die westdeutschen Studenten einen großen Einfluss hatte. Die Pariser Aufstände inspirierten außerdem noch Jahre später Protestbewegungen in Westdeutschland.
Allerdings gibt es auch andere Meinungen. So schrieb der Schriftsteller Bernard Pingaud in seinem Tagebuch „Mai: es hat sich nichts ereignet.“ Damit ist vor allem gemeint, dass die angestrebte „große Revolution“ nicht stattgefunden hatte.
Trotzdem veränderten sich einige Dinge nach den Aufständen im Mai. So wurde das Wirtschaftssystem modernisiert und der Konsumgesellschaft gelang der Durchbruch, welcher unter Gaulle lange verhindert worden war, da dieser sich an traditionellen konservativen Idealen orientierte. Die konservativen Eliten wurden somit zur Modernisierung gezwungen.
Weiterführend sind viele ehemalige Teilnehmer der Maiproteste der Meinung, dass sich nach den Aufständen im Mai in vielen Bereichen der Gesellschaft die Demokratie weiter ausbreitete und verfestigte. So verloren zum Beispiel die kommunistische Bewegung, sowie die pazifistische Bewegung und die „grüne“ Bewegung ihren Einfluss auf die Gesellschaft und Politik. Die Kommunistische Partei wurde nach ihrem Niedergang durch die Sozialisten ersetzt.
Das Abkommen von Grenelle (Accords de Grenelle), welches als Reaktion auf die Maiproteste beschlossen wurde, erreichte eine Erhöhung des Mindestlohns, Tariferhöhung, Verkürzung der Arbeitszeiten und eine Verbesserung des Mitbestimmungsrechts der Arbeiter. Mit diesem Abkommen kam also die Wende, welche aber durch gaullistische Anhänger und Neuwahlen kleingehalten wurde. Bei den Neuwahlen am 23. Juni gewannen außerdem wieder die Konservativen, was der Bewegung des Pariser Mais einen weiteren Schlag versetzte.
Der Pariser Mai `68 ist also dahingehend noch relevant für die Gegenwart, als dass er vor allem in der Gesellschaft seine Spuren hinterließ. Er zog zwar keine drastischen politischen Umbrüche nach sich, schaffte es aber, dass sich die damalige Wirtschaft modernisieren musste und verankerte in den Menschen damals, sowie in den Generationen danach ein Bild des „linken“ Frankreichs und des kreativen Widerstandes.
Quellen
Ingo Kolboom, “Das Jahr, das Frankreich veränderte: Der französische Mai '68”, [Bundeszentrale für politische Bildung] (21.1.2013).
“68 international“ [Bundeszentrale für politische Bildung] (2020).
„Die 68er-Bewegung“, BpB.de, [Bundeszentrale für politische Bildung] (2020).