Wendepunkte des 20. Jahrhunderts/Erinnerungskultur in Triest

Aus ZUM Projektwiki

Triest 1885 Triest im Jahre 1885, unbekannte*r Fotograf*in, aus: Horst F. Mayer, Dieter Winkler: In allen Häfen war Österreich. Edition S, Wien 1987, Lizenz: gemeinfrei, via Wikipedia Commons.

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Triest heute, Bild von Severin Herrmann, Lizenz: Pixabay License, via Pixabay.



Erinnerungskultur Triest (Italien)

Autorin: IH


allgemeine Daten zu Triest
Staat Italien
Region Friaul-julisch-Venetien
Fläche 84,49 km²
Einwohner 204.267 (Dez. 2018)
Hafenstadt

Erinnerungskultur Definition

Umgang des Einzelnen und der Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte.

Die Wissenschaft beschreibt die Erinnerungskultur, als einen Oberbegriff für alle Formen der Erinnerung an die Geschichte und Vergangenheit einer Gesellschaft, ob diese historischen Ereignisse ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur sind, sei unwichtig.

Alle Überbleibsel der Vergangenheit (Denkmäler, Bilder, Texte, Architektur, Traditionen/ Rituale) haben für das Formen einer Erinnerungskultur den gleichen Wert. Es geht bei der Erinnerungskultur ähnlich wie bei der  Geschichtskultur um, das verstehen und zurückverfolgen der Vergangenheit.

Zusätzlich geht es bei der Erinnerungskultur, um das Umgehen mit der Vergangenheit hinblickend auf die Gegenwart. Doch ist es auch wichtig den Grenze zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu ziehen und diese im Blick zu behalten.


Die Stadt Triest hat eine sehr lange und aus italienischer Sicht glorreiche Vergangenheit, die den Italienern schon immer das Gefühl gab, historisch überlegen zu sein. Doch gehört zur italienischen Erinnerungskultur auch der Faschismus, welcher mit den Kriegen nach Italien kam und bis heute in verschiedenster Art fast überall wieder zu finden ist. Die Stadt Triest spielt hier eine große Rolle.




Geschichte des Faschismus in Triest

Triest war durch seine Verbindung mit Österreich(-Ungarn), Slowenien und Kroatien schon immer ein Treffpunkt verschiedenster Ethiken. Doch nach dem offiziellen Anschluss an Italien im Jahr 1919, strebten die Nationalen Kräfte eine sogenannte Italianisierung der nichtitalienischen Bevölkerung in Triest an, welche besondere Auswirkungen auf die Slowenische Minderheit hatte. Es geht bei der Italianisierung im Allgemeinen, um die Verdrängung anderer Sprachen durch die italienische Sprache.

In Triest lag hier der Fokus auf der slowenischen Minderheit. Triests Vorgänge gegen diese, Verbot von slowenischen Vereinigungen und Versammlungen, machten es zum Zentrum der jungen faschistischen Bewegung. Es wurden immer mehr Verbote verhängt und es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, welche ihren Höhepunkt mit dem Anschlag auf das slowenische Gemeindezentrum am 13. Juli 1920 hatten.  

Eine weitere Zuspitzung der Lage in Triest folgte am 30. Oktober nach der Machtgewinnung Mussolinis über ganz Italien. Die Italianisierung der Slowenen in Italien wurde nun verstärk. Es geht der nun faschistischen Regierung darum, den Irredentismus zu beenden und in allen Gebieten mit nicht-italienischer Bevölkerung sowohl sprachlich, als auch kulturell zu dominieren. Mit dem Ziel die italienische Kultur zu stärken, zu verbreiten und alle nicht-italienisch gewachsenen Identitäten aus dem italienische Gebiet zu vertreiben.


Zweiter Weltkriege

Italien war im zweiten Weltkrieg Verbündeter von Deutschland. Nach der Besetzung Italiens durch deutsche Truppen im Jahr 1943, würde Triest mit anderen nord-italienischen Städten zur Operationszone Adriatischens Küstenland (OZAK) zusammengefasst.

Triest spielte für die Nationalsozialisten jedoch eine viel größere Rolle, hier wurde das einzige Konzentrationslager auf italienischem Boden errichtet.

Risiera di San Sabba, diente hauptsächlich für die Gefangenhaltung von Geisel, Partisanen und anderen politischen Gefangenen, beziehungsweise als Sammellager für Juden vor ihrer Deportation.

Das Risiera di San Sabba verfügte auch über eine Gaskammer und ein Krematorium.

Triest wurde zum Todesort vieler Juden und anderer Gefangener.

Die damalige Faschistische Regierung Moussolinies und die Geschehnisse im zweiten Weltkrieg brachten den Faschismus nach Triest, welcher bis heute immer noch in verschiedenster Form zu finden ist, ohne das der Umgang mit diesem wirklich geklärt ist.




Umgang mit dem Faschismus in der Gegenwart

Die Italiener haben Schwierigkeiten die Rückstände des Faschismus in der Gegenwart zu sehen und anzuerkennen. Sie sehen den Partisanenkampf 1943-1945, als Zentrales Ereignis der Befreiung Italiens von dem Faschismus,

wobei die weitere Unterstützung ihres Landes durch Mussolini meist unerwähnt bleibt.

Die Gedenkorte an die Zeit des Zweiten Weltkrieges, wie zum Beispiel das ehemalige Konzentrationslager Risiera di San Sabba, sind hauptsächlich dem Wiederstand gewidmet und nicht den vielen Opfern, welche hier gefoltert wurden oder in Triest ihr Leben lassen mussten.

Dieser Umgang mit der Vergangenheit ist in Italien nicht ungewöhnlich.

Ein weiter Fall der den geschichtlichen Fokus der Italiener noch einmal verdeutlicht, sind die vielen Internierungslager für Juden. Sie sind selten und gedenken eher den Rettern als den Verfolgten. Man könnte von einer manipulierten oder beeinflussten Erinnerungskultur Triests sprechen. Der Fokus der Erinnerung liegt offensichtlich auf den Errungenschaften und Siegen Italiens und nicht auf dem Leid oder den Fehlern, welche die italienische Geschichte aufweist.

Dies ist gerade mit dem Umgang mit dem Faschismus problematisch, denn wenn die Erinnerungskultur den Sieg gegen diesen behandelt, wird die Bevölkerung blind gegen über dem, der in der Gegenwart noch zu finden ist.

Wie soll eine Erinnerungskultur entstehen aus der man gegebenenfalls

lernen kann, wenn die negativen Aspekte der Vergangenheit nicht aufgeführt werden und die Geschichte Italiens nur als glorreich dargestellt wird.



Relevanz der Erinnerungskultur in Triest, Italien

Autorin: AW

Eine gepflegte Erinnerungskultur ist wichtig für jedes Land, jede Region, jede Stadt, um Geschichte sowohl im positiven als auch im negativen Sinne zu verarbeiten und darzustellen und um daraus für die Gegenwart zu lernen. Dazu zählt, dass neue Generationen die Möglichkeit haben, Geschichte aus neutraler Perspektive kennenzulernen, und sich ein eigenes Bild machen können. Wichtig ist, dass es hierbei nicht nur um die Fehler gehen darf, sondern auch die Errungenschaften hervorgehoben werden, um ein realitätsgetreues Bild darzustellen. Denn nur wenn man die Geschichte eines Landes versteht, kann man die politische Gegenwart verstehen.

Problematisch wird eine Erinnerungskultur dann, wenn negative Geschehnisse, wie die Herrschaft Mussolinis und sein Erschaffen des Faschismus in Italien nicht richtig im Nachhinein verarbeitet werden und somit die Erinnerungskultur sich auf die negativen, nicht richtig gestellten Geschehnisse bezieht. Denn dann können sich Ereignisse wiederholen, die durch eine Aufarbeitung von geschichtlichen Ereignissen vermieden werden könnten.


Die Erinnerungskultur in Italien ist, geprägt durch das Hervorheben von Erfolgen und weniger durch das Erinnern an die Opfer, die durch die Geschichte geschädigt wurden. Dies hängt auch damit zusammen, dass in Italien direkt nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mit einer Aufarbeitung begonnen wurde, sondern mehr eine Opferrolle eingenommen wurde. Dadurch dass di Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in den eigenen Reihen in größerem Umfang fehlte (zum Beispiel die Ausschwitz-Prozesse in der BRD 1963–1965) liegt der Hang zu einer ungewollten Wiederholung nahe. Die Geschichte ist unreflektiert, daher kann von den jüngeren Generationen nicht erkannt werden, dass auch in Italien die Frage nach Tätern und Opfern offen steht.

Triest war ein Brennpunkt der faschistischen Bewegung im Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Zweiten Weltkrieg wurde in Triest das einzige sich auf italienischem Boden befindende Konzentrationslager errichtet, welches genau wie die anderen im Zweiten Weltkrieg errichteten Konzentrationslager dazu genutzt wurde, Häftlinge und Kriegsgefangene zu deportieren. Die Aufarbeitungen, die stattgefunden haben, sind unvollständig und nicht komplett durchgeführt. So hatte beispielsweise der Prozess 1976 der aufgrund der begangenen Verbrechen im Konzentrationslager in Triest stattfand, zwar zwei Angeklagte, welche beide verurteilt wurden. Allerdings konnte in einem der Fälle und wurde im anderen Fall die Strafe nie vollzogen werden. Diese Unvollständigkeit der Prozesse führt zu einer unvollständigen Erinnerungskultur in Triest und hat zur Folge, dass die faschistischen Ideologien nicht hinterfragt werden, sondern als positiv aufgefasst werden können von jüngeren Generationen.

Zusammenfassend lässt resümieren, dass eine Erinnerungskultur elementar ist für die politische Gegenwart und Entwicklung eines Landes. Die Erinnerungskultur in Triest ist nicht gut gepflegt, dies wäre allerdings notwendig, um nicht zuzulassen, dass sich schwere Verbrechen, wie sie im Konzentrationslager in Triest stattgefunden haben, wiederholen können.

Quellen

  • Dichter des Faschismus. Denkmalstreit um D'Annunzio, Oliver Jens Schmitt im Gespräch mit Anja Reinhardt Deutschlandfunk, 2019 (14.04.2020).
  • Italien auf memorialmuseums.org, Gedenkstättenportal zu Orten der Erinnung in Europa der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas (14.04.2020).
  • Jens Kolata, Triest, Faschismus, Erinnerung: Die Rezeption Boris Pahors in Italien zwischen Verdrängung und Entdeckung (Abstract), via Universität Trier, 2009 (14.04.2020).
  • Oliver jens Schmitt im Gespräch mit Anja Reinhardt, „Denkmalstreit um D'Annunzio, Dichter des Faschismus“, Deutschlandfunk, 17.09.2019 ( 26.03.2020).
  • Rijeka Tobias Zick, Führerkult, Unterdrückung und orgiastische Feste. Faschismus-Projekt Fiume, Süddeutsche Zeitung, 12.09.2019 (14.04.2020).
  • Susanne C. Knittel, Unheimliche Heimat. Triest als Erinnerungsraum, Simone Wiesenthal Lecture, APA-OTS Originaltext-Service, 2016 (14.04.2020).