Gymnasium Marktbreit/Wissenschaftswoche 2025/11cMathe

Aus ZUM Projektwiki

Gleich behandeln vs. Differenzieren

Gerechtigkeit spielt eine große Rolle in unserem Alltag, es bestimmt das Miteinander und die Akzeptanz untereinander und findet deshalb Anwendung in Politik, Juristik, Philosophie und Medizin. Mathematik ist dabei ein wichtiges Werkzeug, um Gerechtigkeit analytisch zu erklären.[1]

Gerechtigkeitsbegriffe

Im Zusammenhang mit Gerechtigkeit ist eine Unterscheidung der mathematischen Grundlagenbegriffe notwendig. Denn den mehreren Ansätzen von Gerechtigkeit liegen einige mathematische Grundprinzipien zugrunde.

Betrachtungsweise der Gerechtigkeit

Bei der Betrachtung der Gerechtigkeit ist vor allem wichtig, dass der Blickwinkel beachtet wird, aus dem der Prozess untersucht wird. So können gerechte Verfahren als subjektiv unvorteilhaft und daher ungerecht gesehen werden, auch wenn objektiv transparente und gerechte Verfahren zugrunde liegen.

Verfahrensgerechtigkeit

Bei der Verfahrensgerechtigkeit wird ein Prozess auf Fairness untersucht, dabei ist irrelevant wie "gerecht" das Ergebnis ist, einzig die Transparenz des festgelegten Algorithmus ist von Bedeutung. Wichtig ist hierbei, dass das Verfahren schon vor Durchführung festgelegt und von allen Parteien akzeptiert wird.

"Ungleichheiten [sind] nur dann möglich, wenn die damit verbundene Stellung für alle unter fairen Regeln zugänglich sind"[1]

Als Beispiel kann man das Weinbergsgleichnis betrachten. In diesem wird der Lohn der Arbeitenden nicht nach Arbeitszeit, sondern pauschal für den Tag berechnet. Also erhalten später hinzugekommene den gleichen Lohn trotz kürzerer Arbeitszeit.[2] Somit liegt dem ganzen ein faires Verfahren zugrunde, es wirkt aber nicht unbedingt für jede Person als ein gerechtes Ergebnis.

Ergebnisgerechtigkeit

Bei der Ergebnisgerechtigkeit wird lediglich das Ergebnis auf Gerechtigkeit untersucht, während die jeweilige Art an Gerechtigkeit zu vernachlässigen ist.

"[A]usgehend von gleichen Grundfreiheiten [...] [sind] Ungleichheiten nur dann [zu lösen] möglich [...] wenn bei mehreren Verteilungsmöglichkeiten diejenige Variante gewählt wird, bei der die am wenigsten Begünstigten noch am meisten haben"

Am Beispiel des Münzwurfes mit Einsatz:

"Gustav und Donald werfen eine Münze und setzen jeweils auf unterschiedliche Seiten immer eine Murmel, bis einer keine Murmel mehr hat. Beide starten mit einem Kapital von fünf Murmeln."

Am Ende hat einer zehn Münzen, der andere keine. Das Ergebnis wirkt dann für Außenstehende gerecht, also liegt Ergebnisgerechtigkeit nur dann vor, wenn beide mit fünf Münzen gehen würden. Jedoch schreibt das vorher festgelegte, faire Verfahren vor, dass eine Person leer ausgeht kann. Es ist also nur von der äußeren Ergebnislage zu sprechen, wenn man Ergebnisgerechtigkeit meint.[1]

Die Bedeutung der Ausgangsbedingungen

Diese beiden Ansätze zielen auf das Verfahren selbst ab. Jedoch muss auch der Beginn des Prozesses beachtet werden. Denn trotz Verfahrensgleichheit kann das Ergebnis ungerecht sein, wenn vorher eine der Personen(gruppen) schon schlechtere Ausgangsbedingungen hat.

Im Münzenbeispiel könnte man das veranschaulichen, indem Gustav nur zwei, Donald jedoch fünf Murmeln besitzt. Somit ist das Verfahren selbst gerecht, das Ergebnis, das man erhält, erscheint genauso wie beim anderen Münzwurf auch, jedoch entsteht durch die Verschiebung der Ausgangslage dennoch ein ungerechter Verlauf. Denn Gustav hätte in diesem Beispiel weniger Chancen das für ihn vorteilhafte Ergebnis zu erhalten, obwohl für jede Gerechtigkeit gesorgt wurde und jede der Parteien dieser zugestimmt hat.

Mathematische Gerechtigkeitsprinzipien

In der Mathematik wird zwischen zwei Gerechtigkeitsansätzen unterschieden. Diese behandeln die Möglichkeiten, inwiefern ein Ausgleich der Ungerechtigkeiten ablaufen kann.

Arithmetische Gerechtigkeit

Die arithmetische Gerechtigkeit besagt, dass Schäden, die zuvor entstanden sind, später noch bis zur absoluten Gleichheit ausgeglichen werden müssen. Die Lösung kann als genereller Versuch für Gerechtigkeit gesehen werden, indem jegliche entstandene Schäden und Folgen sowie auch daraus resultierende verringerte Gewinnmöglichkeiten bedacht werden. Das Grundprinzip beschreibt also den generellen Willen, im Sinne der Gerechtigkeit alles gleichmäßig zu vergleichen und zu verbessern.

Proportionale Gerechtigkeit

In der proportionalen Gerechtigkeit wird neben der Ausgleichsgerechtigkeit auch noch die Relativität der Gerechtigkeit bedacht. So solle die Würde eines Menschen dessen Rechte definieren. Beispielsweise sollte die "dreimal Würdigere" auch dreimal so viel bekommen und die Relation von Würde und Recht wird genutzt, um spezifische Angaben zu tätigen. Dabei bleibt jedoch fraglich, wie Würde definiert und gemessen werden kann.

Gleichheitsprinzipien

Verschiedene mathematische Prinzipien bilden eine, jede für sich, gerechte Grundstruktur ab. So wird beispielsweise in unserem Straf- und Steuerrecht Gebrauch von verschiedenen Gleichheitsmethoden gemacht. Daher kann, im Sachkontext, allen Prinzipien so zugesprochen werden, dass sie den Versuch nach Gerechtigkeit abbilden, trotzdem aber keine Universalität aufweisen.

Absolute Gleichheit

Die absolute Gleichheit ist diejenige, die alle Personen gleich behandelt. Das heißt, egal welche Ausgangsbedingungen einer Person zuteil sind, sie wird generell einfach wie jede andere auch gesehen. Somit kann von absoluter Gleichbehandlung gesprochen werden. Jedoch sollte man beachten, dass aufgrund der unterschiedlichen vorherigen Voraussetzungen eine ungerechte Gleichbehandlung empfunden wird, da u.a. wohlhabendere Menschen anteilig weniger Gewinn/Verlust erfahren als jene, denen weniger zuteil ist.

Relative Gleichheit

Die relative Gleichheit, im Gegensatz zur absoluten Gleichheit, basiert auf der prozentualen Gleichbehandlung aller. Hier soll, statt einem absolut gleichen Betrag, der relative Betrag gleich sein. Das heißt, etwaige Beträge werden nach einem gleichen Prozentsatz berechnet und bezogen auf die Ausgangsbedingungen berechnet. Das kann so gesehen werden, wie beim deutschen Strafrecht, wo das Strafmaß in Tagessätzen, also vom Einkommen, abhängt. Von Gerechtigkeit kann somit hier gesprochen werden, denn gleiche werden gleich behandelt, unterschiedliche aber auch unterschiedlich.

Progressive Gleichheit

Ähnlich zur relativen Gleichheit, spricht man von progressiver Gleichbehandlung, wenn zwar relative Beträge ermittelt werden, diese Anteile jedoch mit Steigen der Vorbedingungen auch zunehmen. Also würde der prozentuale Anteil bei geringerem Vermögen auch relativ gesehen kleiner sein (so z.B. im Einkommenssteuerrecht bei geringerem Einkommen 14%, bei höherem jedoch bis zu 42%)

Geschlechtergerechtigkeit im Alltag

Gerechtigkeit in der Medizin

Herzinfarkte: Geschlechterunterschied
Anzahl an Herzinfarkten nach Alter und Geschlecht in Deutschland 2015

Frauen sterben in gewissen Altersgruppen deutlich häufiger an Herzinfarkten, was auf verschiedene Gründe zurückzuführen ist:

Aufgrund ihrer verschiedenen Körpereigenschaften gibt es unter anderem in der Medizin viele unterschiedliche Behandlungsnotwendigkeiten. Frauen haben mit im Schnitt 250 Gramm ein kleineres Herz, während Männerherzen in der Regel 300 Gramm wiegen. Außerdem besitzt der weibliche Körper kleinere Herzkranzgefäße und weniger Herzmuskeln. Aufgrund der Unterschiede muss das weibliche Herz deutlich mehr "leisten". Während ein männliches Herz einen Ruhepuls von circa 70 Schlägen pro Minute besitzt, besnötigt das Herz im weiblichen Körper 10 Schläge mehr.[3] Diese erhöhte Belastung sowie die verengten Gefäße führen zu einem erhöhten Infarktrisiko. Diesem wirken jedoch, vor allem vor der Menopause, die weiblichen Sexualhormone entgegen, die das Risiko der Arteriosklerose und somit auch das Infarktrisiko minimieren. Lediglich nach der hormonellen Veränderung infolge des Klimakteriums steigt das Risiko auf Herzinfarkte für Frauen drastisch an und überrsteigt das männlicher Probanden.

Eine weitere Gefahr im Zusammenhang mit Herzinfarkten bei Frauen ist die häufig zu spät erfolgende Diagnose. Denn neben den auch für Männer üblichen Anzeichen wie Brustschmerzen und Atemnot kann beim weiblichen Herzinfarkt schon Übelkeit zu den Vorboten gezählt werden.

Die Gendermedizin: Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Die unterschiedlichen Reaktionen von Männern und Frauen auf medikamentöse und invasive Therapien ist Forschungsgebiet der Gendermedizin. Denn in den letzten 30 Jahren ist in der Medizin aufgefallen, dass trotz deutlicher Verbesserungen der Überlebenschancen im Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern keine Besserung bei Frauen aufgetreten ist. Das liegt auch an der geringen Studienlage. Denn aufgrund der größeren Variabilität des Hormonhaushalts im weiblichen Körper, der durch Menstruationszylus, Pubertät und Klimakterium zusätzlich verändert wird, ist die Forschung in der Vergangenheit nahezu ausschließlich bei Männern erfolgt. Das äußert sich unter anderem auch darin, dass die Überlebensrate bei Frauen nach Herzinfarkten innerhalb von sechs Monaten nach dem Infarkt deutlich geringer ist.

Ein anderer Unterschied in der medizinischen Behandlung der Geschlechter ist jene bei Krebs. Denn, auch wenn der weibliche Körper nach der Menopause anfälliger für Herzinfarkte ist, wehrt das Immunsystem diverse Krebsformen besser ab und birgt weniger Nebenwirkungen bei einer Behandlung.[4]

Diese verschiedenen Ansätze zeigen deutlich wie wichtig es ist sowohl die Prävention, als auch die Behandlung der Krankheiten angepasst auf die Geschlechter anzubieten, sodass zielorientierter und ohne weitere Nebenwirkungen mit diesen umgegangen werden kann.

Gender-Data-Gap/Gender-Health-Gap

Die medizinische Forschung orientierte sich in der Vergangenheit primär am männlichen Körper. Dies führt zu Datenlücken, die unter dem Begriff Gender-Data-Gap zusammengefasst werden. Diese führen zu konkreten Versorgungsnachteilen, dem sogenannten Gender-Health-Gap, d.h. einer Ungleichbehandlung in Diagnostik, Therapie und Medikamentenentwicklung aufgrund des Geschlechts.[5][6]

Gender-Data-Gap: Verhältnis von Krankheitshäufigkeit zu Diagnoserate; Grafik basiert auf Daten von McKinsey & Company (2023), eigenständig visualisiert. Nur zu Bildungszwecken.
Unterschiedliche Reaktionen auf Medikamente

Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten ist oft geschlechtsabhängig. Bei Frauen verbleiben Tabletten im Schnitt um ein Drittel länger in der Magen. Gleichzeitig weißen sie eine geringere Nierenaktivität auf, was zu einer verzögerten Ausscheidung von Wirkstoffen führt. Hinzu kommt, dass lipophile Medikamente sich im weiblichen Körper anders verteilen – bedingt durch den höheren Fettanteil. Auch hormonelle Schwankungen im gebärfähigen Alter, während Schwangerschaften oder in den Wechseljahren beeinflussen den Stoffwechsel erheblich.

Trotz dieser bekannten Unterschiede wurden viele Medikamente bislang hauptsächlich an männlichen Probanden getestet. Frauen waren in Studien lange Zeit unterrepräsentiert – teils aufgrund der komplexeren Hormonlage, teils aus forschungsethischen Bedenken. Das führt dazu, dass Frauen häufiger Nebenwirkungen erleiden.[6][7]

Ungleiche Versorgung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Ein besonderes Beispiel für den Gender-Health-Gap findet sich in der Kardiologie. In den letzten Jahrzehnten konnten bei Männern deutliche Fortschritte in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erzielt werden, bei Frauen hingegen kaum. So liegt die Überlebensrate von Frauen nach einem Herzinfarkt innerhalb der ersten sechs Monate deutlich unter jener der Männer.

Ein Grund dafür ist die unterschiedliche Symptomatik: Während Männer häufig klassische Brustschmerzen zeigen, treten bei Frauen häufiger unspezifische Symptome wie Übelkeit, Rückenschmerzen oder Kurzatmigkeit auf – Symptome, die in der klinischen Praxis leicht übersehen werden. Diagnosen erfolgen daher später oder gar nicht, was die Prognose erheblich verschlechtert.[5][7]

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Onkologie

Auch in der Krebsmedizin lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen. So reagiert das weibliche Immunsystem – insbesondere vor der Menopause – in einigen Fällen effektiver auf bestimmte Krebsarten. Gleichzeitig treten bei Frauen mitunter weniger Nebenwirkungen bei onkologischen Therapien auf.

Demgegenüber steigt mit dem Abfall des Östrogenspiegels nach der Menopause das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – was wiederum eine differenzierte Abwägung bei der Behandlung notwendig macht. Diese Zusammenhänge sind jedoch noch unzureichend erforscht und finden in der therapeutischen Praxis bisher kaum Berücksichtigung.[5]

Notwendigkeit geschlechtersensibler Medizin

Die genannten Beispiele machen deutlich, dass eine geschlechtersensible Medizin nicht nur aus Gründen der Gleichbehandlung geboten ist, sondern aus Gründen der wissenschaftlichen Genauigkeit und therapeutischen Effektivität. Prävention, Diagnostik und Therapie müssen auf geschlechtsspezifische Unterschiede abgestimmt werden, um Nebenwirkungen zu minimieren und Behandlungserfolge zu maximieren.

Die konsequente Einbeziehung geschlechtsspezifischer Daten in Forschung, Lehre und klinische Praxis ist somit eine notwendige Voraussetzung für eine moderne, evidenzbasierte und faire Gesundheitsversorgung.[5][6][7]

Männergesundheit

Angebotene Krebsfrüherkennungsprogramme werden von rund 50 % aller Frauen in Deutschland wahrgenommen. Bei Männern sind es – inklusive der wichtigen Prostatavorsorge – nicht einmal 25 %.

Gründe dafür sind unter anderem die Nutzung der Antibabypille und die monatliche Menstruation bei Frauen; dadurch hat es sich früh eingebürgert, regelmäßig zu gynäkologischen Untersuchungen zu gehen. Männern hingegen fehlt eine vergleichbare jährliche Untersuchung. Zudem fiel durch die Abschaffung der Wehrpflicht der sogenannte „Ganzkörper-Check“ bei jungen Männern weg.

Gründe, weshalb Männer diese Untersuchungen trotz des Angebots meiden, sind unter anderem lange Wartezeiten und die Angst vor schlechten Nachrichten. In den letzten Jahren nahm jedoch die Bereitschaft junger Menschen, sich untersuchen zu lassen, zunehmend zu.[8]

Gerechtigkeit bei Pharmazeutika

Die unterschiedlichen Hormon- und Körperzusammensetzungen haben einige Folgen auf die Wirkung unterschiedlichster Medikamente. So ist die Wirkungsdauer unter anderem deutlich verschieden zwischen Männern und Frauen, da der Weg durch die Magen-Darm-Passage länger dauert und die Wirkstoffe hierbei langsamer und länger aufgenommen werden. Zudem ist die durchschnittliche Masse bei Frauen geringer, sodass die Wirkstoffkonzentration bei der gleichen Dosis an Arzneimitteln schon höher ist und stärkere Wirkungen zeigt.

Wirkungsweise

Regelmäßige stärkere Schwankungen im Hormonhaushalt beeinflussen die Wechselwirkungen auch vielseitig, sodass Wechselwirkungen mit der jeweiligen Hormonzusammensetzung zu gewissen Zeitpunkten unterschiedliche Auswirkungen haben.

Ein Beispiel für die sich deutlich unterscheidende Wirkungsweise ist die Acetylsalicylsäure (ASS). In diversen Studien ist ermittelt worden, dass im männlichen Körper die Einnahme dieses Mittels das Herzinfarktrisiko um circa 30 Prozent senkt. Jedoch ist bei weiblichen Probanden festzustellen gewesen, dass das Risiko für Schlaganfälle deutlich geringer ausfällt. Trotzdem lässt sich erkennen, dass bei Frauen das Herzinfarktrisiko und bei Männern das Schlaganfallrisiko nicht verändert werden kann, wenn ASS eingenommen wird.

Nebenwirkungen

Neben der verschiedenen Wirkungsweise treten bei Menschen der jeweiligen Geschlechter in der Regel auch unterschiedliche Nebenwirkungen auf. So kann durch die stärkere Wirkung der Stoffe ein deutlich größeres Spektrum an unabsichtigen Wirkungen auftreten. So ist bei blutdrucksenkenden ACE-Hemmern Husten eine geläufigere Nebenwirkung bei Frauen.

Probleme in der Pharmazeutikaforschung

Auch wenn schon in den 2000ern der medizinische Fachbereich der Gendermedizin in eingeführt wurde, deren Schwerpunkt in der Ermittlung von geschlechtsspezifischen Wirkungen und Behandlungsmethoden liegt, ist heutzutage dennoch eine vergleichsweise stark defizitäre Forschungslage anzutreffen. So ist, vor allem bei älteren Medizinern und Pharmazeuten die Ausbildungslage eher rückständig. Denn, auch wenn mittlerweile eine intensivere Forschung implementiert wird, kann dies bei vorher getesteten Stoffen nur schwerlich im Nachhinein begründet werden. Die Beispiele in Medizin und Arzneimittelforschung verdeutlichen dieses notwendige Ziel. Während gesetzliche Vorgaben zur Forschung bestehen, ist dennoch häufig die Datenlage zu gering, um falsifizierbare Aussagen über die Gesundheitsaspekte der Geschlechter zu tätigen. Wie gezeigt sind die Wirkungen nämlich so unterschiedlich und teilweise auch schwerwiegend, dass die Pharmazeutikaforschung nicht mehr ohne geschlechtsdifferenzierte Datensätze ermittelt werden sollte, was mittlerweile in Europa auch rechtlich gedeckt und vorgeschrieben ist.

Grundlagen geschlechtersensibler Gerechtigkeit

Gerechtigkeit kann nur dann für alle erreicht werden, wenn die abweichenden Voraussetzungen berücksichtigt werden. Besonders geschlechterspezifische Unterschiede, die in klassischen Gerechtigkeitskonzepten nur teilweise betrachtet werden, müssen zu jedem Zeitpunkt beachtet werden.

Geschlecht als Gerechtigkeitsfrage

In einigen Gerechtigkeitsmodellen wird das Geschlecht nicht als eigener Aspekt behandelt. Feministische Theorien kritisieren, dass Gerechtigkeitsprinzipien oft von einer "neutralen" Perspektive ausgehen, die in der Realitität oft männlich geprägt ist (Vgl. Martinsen S. 380, Rössler S. 93). Aus diesem Grund müssen "klassische Gerechtigkeitsstandards [...] mit Blick auf deren jeweilige genderbezogene Implikationen untersucht" werden (Martinsen S.381).

Daraus ergibt sich, dass mathematische Verfahren zwar fair sein können (Verfahrensgerechtigkeit), aber zu ungerechten Ergebnissen führen (Ergebnisgerechtigkeit), wenn z.B. bestehende Benachteiligungen von Frauen nicht berücksichtigt werden

Gleichheit vs. Differenzieren

Ein zentrales Thema ist die Spannung zwischen dem Anspruch auf Gleichheit und der Anerkennung von Differenz. Also inwiefern Gleichheit hergestellt werden kann, ohne bestehende Unterschiede zu ignorieren oder zu verstärken. Ziel sind dabei nicht gleiche Rechte sondern gerechte Bedingungen - angepasst an die unterschiedlichen Lebensrealitäten. Die Grundaussage ist:

"Welche Gleichheit ist möglich, welche Differenz ist nötig?" (Rössler S.92)

Frühere Positionen beabsichtigten entweder eine absolute Gleichheit oder beharrten auf den geschlechtsbedingten Unterschieden. Gleichheitspositionen zielten beispielsweise auf eine gerechte Verteilung der Erwerbsarbeit ab und kritisierten die geschlechtsspezifisch bedingte ungleiche Verteilung. Positionen die auf Differenzen aufbauten, forderten eine "gesellschaftliche Gleichbewertung", insbesondere die Pflicht der Verrichtung von Arbeiten im privaten Bereich. (Vgl. Rössler S.92 - 93)

Privat vs. öffentlich

Die traditionelle Trennung von Öffentlichkeit, so zum Beispiel in Beruf oder Politik, und Privatleben ist ein zentraler Aspekt feministischer Gerechtigkeitskonzepten. In der Vergangenheit wurden Frauen oft dem privaten Bereich, also Haushalt, Familie und Pflege, zugeordnet. Durch diese Beschränkung auf den teilweise gesellschaftlich weniger angesehenen Bereich, wurde weiblichen Personen eine politische und gesellschaftliche Teilhabe oft verwehrt. (Vgl. Rössler S.94)

"Mit der Zuordnung der Frauen zum Bereich des Privaten [wurden] diese aus dem öffentlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben [...] ausgeschlossen und [...] die Betreuung von Familie und Kindern als gesellschaftlich nicht relevante, [...] Arbeit ausgewiesen." (Rössler S.94)

Durch diese Aufteilung wurde unbezahlte Care-Arbeit zunehmend abgewertet. Feministische Ansätze fordern deshalb eine Neubewertung des Privaten im Sinne einer Gleichberechtigung der beiden Bereiche. Ziel dabei ist es, private und öffentliche Rollen nicht länger ungleich zu behandeln. (Vgl. Rössler S.94f)

Repräsentation in Öffentlichkeit und Politik

Frauen sind in einigen politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsräumen immer noch unterrepräsentiert, unter anderem in Parlamenten, Medien und Bildung. Diese Lücke an Möglichkeit für Frauen ihre Positionen sichtbar zu machen führt dazu, dass oft weibliche Perspektiven nicht berücksichtigt werden (Vgl. Rössler, S.96).

"[G]leiche politische Partizipationsrechte [würden] [...] nur dann realisiert sei[n], wenn tatsächlich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen in ungefähr gleicher Weise vertreten sind" (Rössler, S.96: Phillips 1995)

Es kommt die Forderung nach Gruppenrepräsentationen auf, die spezifische Erfahrungen einbindet. Gleichzeitig wird aber auch Partizipation aller gesellschaftlichen Gruppen in politischen Institutionen gefordert (Vgl. Rössler, S.96)

Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 MatheWelt (2022) Heft 230: Gleichheit, Gerechtigkeit, Fairness
  2. Bibel: Matthäus 20, 1-16
  3. myLife (Ausgabe 16.9.24): Frauenherzen schlagen anders
  4. DocCheck (2013): Gendermedizin: Das Quotenrisiko
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 DocCheck (2023): Gender Health Gap: Was ist das schon wieder?
  6. 6,0 6,1 6,2 gesundheit.gv.at (2025): Genderaspekte bei Arzneimitteln
  7. 7,0 7,1 7,2 Dtsch Arztebl 2010; 107(36): A 1682–4
  8. myLife (Ausgabe 2.12.24): Bleib bitte gesund, Mann! (Seite 23-28)

Literatur

F. Martinsen (2016): In: A. Goppel et al. (Hrsg.): Handbuch Gerechtigkeit. Springer Verlag, Berlin 2016, S. 380–385

B. Rössler (2016): In: A. Goppel et al. (Hrsg.): Handbuch Gerechtigkeit. Springer Verlag, Berlin 2016, S. 92–97

Anmerkungen

Abschnitt 3.1.3 Gender-Data-Gap/Gender-Health-Gap ist eine Verschriftlichung von Recherche-Ergebnissen durch künstliche Intelligenz (Chat GPT-4o)

Alle Webseiten wurden am 10.07.2025 abgerufen