Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Lyrik im thematischen Längsschnitt/Joseph v. Eichendorff: Mondnacht

Aus ZUM Projektwiki
Vollmondnacht. Nutzung lizenzfrei - pixabay

Mondnacht (1837)

Es war, als hätt der Himmel

Die Erde still geküsst,

Dass sie im Blütenschimmer

Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,

Die Ähren wogten sacht,

Es rauschten leis die Wälder,

So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

Der erste Eindruck

In dem Romantikgedicht geht es um die romantische Atmosphäre zwischen dem Himmel und der Erde in einer Mondnacht. Das Gedicht thematisiert den Wunsch nach einer Erfüllung, also die Sehnsucht nach einem wirklichen Zuhause, bei dem diese Wünsche erfüllt werden können. Das Gedicht erzeugt im Leser eine harmonische Stimmung dadurch, dass die Natur mit sich selbst in Einklang zu sein scheint [NiBNSG]

Inhalt

Man kann das Gedicht in drei Abschnitte gliedern: den ersten Teil (V. 1 bis 4), in dem es um die romantische Handlung zwischen Himmel und Erde geht, den zweiten Teil (V. 5 bis 8), in dem die Natur in ihrer Form beschrieben wird, und den letzten Teil (V. 9 bis 12), in dem die Seele des lyrischen Ichs die Flügel ausbreitet und sich auf einen Flug begibt.

Hierbei ist dem Leser überlassen, wie er dies interpretieren kann. So wirken die Handlungen dieses Gedichts für mich wie ein Übergang in das ewige Leben. So symbolisieren Himmel und Erde durch eine Personifikation (V. 1 bis 4) den Tod und das Leben. Das Leben, welches vom Tod geküsst wird (V. 2), kann hierbei als Akt des Sterbens gesehen werden, während das Träumen vom Himmel (V. 4) der Übergang zum ewigen Leben sein kann. Dies wirkt auf den Leser sehr lebendig, da wir als Menschen uns unbewusst damit identifizieren können und es uns somit auch direkter anspricht. Es gibt uns trotz des eher unangenehmerem Thema eine beruhigende Atmosphäre und doch gar ein gutes Gefühl. Die Beschreibung der Natur (V. 5 bis 8) kann auch als eine Symbolik des Fegefeuers sein. Auffällig ist jedoch, das dieser Ort als sehr angenehm beschrieben wird. So wirkt diese Beschreibung für den Leser wie ein wunderschöner Anblick auf die Natur in ihrer reinen Form. Ein leichter Wind, welcher innerhalb der drei Verse (V. 5 bis 7) beschrieben wird, stimmt auf die darauffolgende Handlung ein. Nun kommt die Seele des lyrischen Ichs zum Vorschein. Es liegt wieder eine Personifikation vor, welche dem Leser wiederum das Gefühl gibt, sich identifizieren zu können. Das lyrische Ich und die direkte Nennung (Z. 9 "[...] meine Seele [...]") bestärken dieses Gefühl nochmals. Ein weiterer Aspekt, welcher die ruhige und angenehme Atmosphäre, welche sich durch das ganze Gedicht zieht, untermalen, ist die Nennung der Nacht. Es werden einige Anspielungen gemacht (V. 4 "Von ihm nun träumen müsst", V. 8, "So sternenklar war die Nacht", V. 11 "Flog durch die stillen Landen"), welche ein Gefühl von Stille und innerer Ruhe geben und nochmals den Weg vom Leben zum Fegefeuer und nun zum Ewigen Leben untermalen.

Im Ganzen betrachtet wirkt das Gedicht ruhig und entspannend. Das Thema von der Natur, welche Tod und Leben symbolisiert, sowie den Akt des Sterbens und das ewige Leben lassen sich liebevoll widerspiegeln. Ich finde das Gedicht ist sehr gut gelungen und bringt dem Leser eine schöne Atmosphäre beim Lesen, besonders da einige Details erst beim genaueren Hinsehen erkennbar sind und man einen freien Spielraum an Interpretationen hat. [SoPNSG]

Abschließend kann man sagen, dass mit dem Gedicht der Vorgang des Sterbens beschrieben wird. Das lyrische ich ist auf der Erde und spürt einen letzten Luftstoß, dann steigt dessen Seele in den Himmel und kommt dort zu Ruhe und fühlt sich zu Hause angekommen. [MaFNSG]

Alternativer Deutungsansatz:


Durch verwendende Pronomen wie für den Himmel „Er“ (V.1) und die Erde „Sie“ (V.2) lässt sich eine Deutungshypothese aufstellen, welche beinhaltet, dass die Begriffe „Himmel“ und „Erde“ eine Metapher für den Man und die Frau ist. Genauso wie der Himmel und die Erde sind die Frau und der Mann zwei völlig unterschiedliche Gestalten. Sie ergänzen sich gegenseitig und gehören zusammen, weshalb wie bei dem Himmel eine Sehnsucht nach der Erde entsteht und er sich wünscht bei ihr zu sein. Die Frau scheint  im romantischem Hinblick von jemandem zu schwärmen . Dabei soll der Man, hier als der Himmel beschrieben worden, sie von oben aus der Ferne beobachten, genauso wie es für den Himmel für die Erde üblich ist und sie vermissen. Er träumt davon  endlich nach Hause zu gehen (V.12), was darauf schließen lässt dass sich das Liebespaar schon lange nicht mehr  gesehen hat. Durch die Worte „Blütenschimmer“ (V.3) und „Seele“ (V.9) werden auf der einen Seite Gefühle der Lebendigkeit und auf der anderen Seite Gefühle des Todes und der Furcht freigesetzt. Es entsteht die These, dass der Man, dargestellt als Metapher in Form des Himmels in dem Gedicht, dem Tode sehr nah ist und sich deshalb so sehr nach seiner Liebsten sehnt. Er ist nicht in der Verfassung (Strophe 1) seine Frau noch einmal zu küssen und glaubt daran sie würde ebenso für ihn empfinden und von ihm träumt. Die Begriffe sind wie Himmel und Erde oder Man und Frau Gegensätze, welche sich in dem Gedicht automatisch anziehen. [JoINSG]

Sprache

Substantive: Himmel (V.1); Erde (V.2); Blütenschimmer (V.3); Luft, Felder (V.5); Ähren (V.6); Wälder (V.7); Nacht (V.8); Seele (V.9); Flügel (V.10); Lande (V.11); Haus (V.12). Der Autor des Gedichtes wollte eine gewisse Konstanz von Substantiven in das Gedicht hereinbringen, denn in fast jedem Vers liegt ein Substantiv vor.

Adjektive: sacht (V.6); leis (V.7); sternklar (V.8); weit (V.10); stillen (V.11). Durch diese Adjektive wird das Gefühl der ruhigen und stillen Atmosphäre, welche während der Mondnacht beschrieben, wird näher verdeutlicht.

Verben: geküsst (V.2); träumen (V.4); ging (V.5); wogten (V.6); rauschten (V.7); war (V.8); spannte (V.9), flog (V.11); flöge (V.12). Fast alle Verben des Gedichtes beziehen sich auf die Lebensweise des Menschen und sind somit Personifikationen. Dies wirkt auf den Leser näher ansprechend, da er sich selbst durch die menschlich bezogenen Wörter näher wiederkennt, sich mit diesen Personifikationen identifizieren kann und so sich mehr angesprochen fühlt. [NiBNSG]

Das Gedicht wird durch die erste Strophe und den letzten Vers durch den Konjunktiv eingerahmt, das spiegelt sich auch im Inhalt wider. Zuerst werden der Himmel und die Erde verbunden (1.Strophe: Himmel küsst Erde). Zwischen Himmel und Erde ist immer die Seele, die zum Schluss aber auch in den Himmel steigt und diesen als ihr zu Hause betitelt. [MaFNSG]

Durch die Verwendung des Konjunktives im ersten und im letzten Vers entsteht die Wahrnehmung einer fiktiven Vorstellung oder eine Art des Traumes, somit zieht das Gedicht Vergleiche an, die die Sehnsucht verbildlichen und einrahmen, während innerhalb dieser Einfassung eine reale Mondnacht beschrieben wird. Der Gebrauch des Präteritums unterstützt die Wirkung der erdachten, unwirklichen Vorstellung und stellt das Gedicht als ein vergangenes Ereignis dar. [AnHNSG]


In Vers 9-10 „Seele spannte“ liegt eine Alliteration vor, wodurch man die Wörter als eine Einheit wahrnimmt. [JoINSG]

Form

Insgesamt ist das Gedicht in 3 Strophen mit jeweils vier Versen aufgeteilt, die Strophen verfügen alle über einen Kreuzreim (abab; cdcd; efef), der den einzelnen Strophen einen Rhythmus verleiht und die Verse inhaltlich miteinander verknüpft. Das Gedicht weist einen Jambus auf, der zusätzlich den gleichmäßigen Rhythmus bestärkt. [AnHNSG]


Der Kreuzreim bewirkt, dass sich der Inhalt der einzelnen Versen einer Strophe kreuzt und man ihn innerhalb der Strophe als ein ganzes wahrnimmt und betrachtet. Abgesehen davon wirkt durch ein Reim wie hier ein Kreuzreim das Gedicht flüssiger. [JoINSG]

Die Betonung der Silben bestärkt dieses Gefühl, da in dem Gedicht eine besondere Betonung auf den Wörtern "sacht" (V. 6), "leis" V. 7) und "Haus" (V. 12) liegt. Dazu liegt hier ein Jambus vor, welcher das Gedicht wie ein schläfriges Singsang oder gar wie einen Herzschlag wirken lässt. Hierbei befinden sich in den zwölf Versen jeweils drei Kreuzreime, passend zu den drei Abschnitten der Handlungen. [SoPNSG]

Entstehungshintergrund

Das Gedicht gehört zu der Gattung der Naturlyrik und stammt aus der Epoche der Spätromantik. Die Epoche der Romantik wird mit der Sehnsucht, der Fantasie, der Hinwendung zur Natur und den subjektiven Gefühlen verbunden, welche in dem Gedicht durch die konkrete Beschreibung einer Sommermondnacht aufgegriffen werden. [AnHNSG]