Wendepunkte des 20. Jahrhunderts/1919 Wahlrecht für Frauen

Aus ZUM Projektwiki

Poster of the committee of the women associations of Germany "Women! Ensure peace and the food supply! Vote and tell other people to vote!", 1919 Ausschuss der Frauenverbände Deutschlands, Plakat: "Frauen! / Sorget für Frieden und Brot! Wählet und werbt für die Wahl!", Plakat, 1919, Horst Ziegenfusz, Reproduktion vom Historischen Museum Frankfurt in der Wikipedia auf Englisch, Lizenz: CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

Frauenwahlrecht 1919

Autorin: JW

Am 30. November 1918 trat in Deutschland, damals die Weimarer Republik, das Reichswahlgesetz in Kraft, das nun auch erstmals das hart erkämpfte aktive und passive Wahlrecht für Frauen enthielt.




Historischer Kontext

Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges (1914-18), aus dem Deutschland als Verlierer herausging, geschah in vielen Ländern in Mitteleuropa ein Umbruch, der meist auch das Frauenwahlrecht mit sich brachte.

Das erste europäische Land, das das aktive und passive Frauenwahlrecht einführte, war Finnland bereits im Jahr 1906.




Zentrale Akteure

Für dieses Frauenwahlrecht kämpfte Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem die SPD. Aber auch Frauen außerhalb der Partei setzten sich dafür ein. Während die gemäßigte bürgerliche Frauenbewegung ein eingeschränktes Wahlrecht anstrebte, forderten die radikaleren sozialistischen Frauen wie Clara Zetkin (1857-1933) das allgemeine Frauenwahlrecht. Zetkin war in dieser Zeit eine sozialistisch-kommunistische Politikerin und Frauenrechtlerin.

Doch noch bevor es die organisierte Frauenbewegung gab, sprach sich bereits die sozialkritische Schriftstellerin und Frauenaktivistin Louise Otto-Peters (1819-95) im Zuge der Revolution 1848/49 als Erste für das Frauenwahlrecht ein. Sie forderte in ihrer politischen „Frauen-Zeitung“ „das Recht der Mündigkeit“ für die Frau und „die Selbstständigkeit im Staat“. Hedwig Dohm (1831-1919), ebenfalls Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, setzte sich in den 1870er Jahren auch für das Frauenwahlrecht ein. Sie formulierte ihre Forderung in ihrem Werk „Der Frauen Natur und Recht“ aus dem Jahr 1876.




Das Jahr 1918

Im Oktober 1918 forderten 58 deutsche Frauenorganisationen das Wahlrecht in einem Schreiben an den Reichskanzler Max von Baden. In Berlin versammelten sich aus diesem Grund mehrere tausend Menschen.

Nachdem am 09. November die Republik ausgerufen worden war, gab es am 12. November den Aufruf des Rats der Volksbeauftragten „an das deutsche Volk“, der ihr Regierungsprogramm enthielt. Ein wichtiger Punkt des Programms war eine große Wahlrechtsreform. So sollten alle Männer und Frauen ab 20 Jahren berechtigt sein, zu wählen und gewählt zu werden, sie sollten also sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht erhalten.  Am 30. November trat dann das Reichswahlgesetz in Kraft, das diese Reform enthielt.

In Artikel 109, Absatz 2 der Weimarer Verfassung steht der folgende Satz: „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“




Die ersten Wahlen

Im Januar des darauffolgenden Jahres fanden die ersten demokratischen Wahlen für Männer und Frauen statt: Am 05. Januar 1919 wurde die Verfassungsgebende Landesversammlung der Republik Baden gewählt und am 12. Januar die Verfassungsgebende Landesversammlung des Freien Württembergischen Volksstaats. Am 19. Januar durften Frauen dann bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung zum ersten Mal im nationalen Rahmen wählen und gewählt werden (aktives und passives Wahlrecht). Es war eine allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahl, bei der insgesamt 300 Frauen kandidierten. Unter den 423 gewählten Abgeordneten waren letztendlich 37 Frauen.

Die Sozialdemokratin Marie Juchaz (1879-1956) hielt am 19. Februar 1919 eine Rede in der Nationalversammlung, in der sie sagte: „Meine Herren und Damen! Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als freie und gleiche im Parlament zum Volke sprechen kann […]. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“


Relevanz des Wendepunktes „1919 Wahlrecht für Frauen“

JD

Warum ist das Wahlrecht für Frauen ein aus heutiger Sicht relevanter Wendepunkt? Zum einen wurde durch das Wahlrecht für Frauen ein sehr wichtiger erster Schritt auf dem langen Weg der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gegangen. Denn dass Frauen wählen durften, bedeutete noch lange keine Gleichberechtigung. Die selbstständige Kontoführung zum Beispiel, also die eigenständige Kontoführung einer Frau ohne die Einwilligung des Ehemannes, wie auch das Erlangen der Fahrerlaubnis waren für die Frauen erst ab den 50er-Jahren möglich. Die eigenständige Erwerbsarbeit wurde schockierenderweise noch 20 Jahre später, ab den 70er Jahren erst, möglich. Das Wahlrecht für Frauen hat also auf diesem steinigen Weg, dessen Ende noch heute nicht in Sicht ist, den ersten Schritt getan.

Es beschreibt das erste Erbe der Frauenrechtsaktivistinnen, die bei dem Kampf um Gleichberechtigung hart bestraft, verfolgt oder auch ums Leben gebracht wurden. Es bildet den Grundstein unseres heutigen Verständnisses von Gleichberechtigung.

Das Wahlrecht für Frauen begründet zudem unsere heutige Demokratie. Denn eine Demokratie bedeutet das Mitbestimmungsrecht aller Bürger, nicht nur der 50% der Männer, was die Frauen als andere Hälfte selbstverständlich mit einbindet.

Quellen
  • Clara Zetkin, Wikipedia (gelesen am 24.03.20).
  • Eggerichs, Grit, Rosenplänter, Meike, 100 Jahre Wahlrecht für Frauen, Deutschlandfunk Nova , 01.03.19 (gehört am 01.04.20).
  • Frauenwahlrecht, Wikipedia (gelesen am 01.04.20).
  • Louise Otto-Peters, Wikipedia (gelesen am 01.04.20).