Wendepunkte des 20. Jahrhunderts/"Neue Bundesländer": Probleme und Fehler der Wiedervereinigung

Aus ZUM Projektwiki

Bundesarchiv B 145 Bild-F083628-0005, Bonn, Karl Otto Pöhl auf Pressekonferenz

Bonn, Karl Otto Pöhl auf der Pressekonferenz, fotografiert von Arne Schambeck, Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Karl Otto Pöhl, äußerte sich vor der Bundespressekonferenz zu dem Beschluß der Bundesregierung, eine Währungsunion mit der DDR anzustreben, Deutsches Bundesarchiv, B 145 Bild-F083628-0005, Lizenz: ‚CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons.


„Neue Bundesländer“: Probleme und Fehler bei der Wiedervereinigung

Autor: CK

Die deutsche Wiedervereinigung, die sich in den Jahren 1989 und 1990 vollzog, diente dem politischen und rechtlichen Zusammenschluss der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) sowie der Verhinderung einer Übersiedlungswelle von der DDR in die Bundesrepublik. Im Vollzug der Wiedervereinigung mussten die Bedingungen für die Wirtschafts-, Sozial- und Währungsunion sowie viele weitere Einzelfragen geklärt werden.


1. Demografischer Wandel

In den Jahren 1989 und 1990 verließen 750.000 ehemalige DDR-Bürger Ostdeutschland, dessen Bevölkerung bereits zuvor zwischen 1949 und 1989 von 19,1 Millionen auf 16,4 Millionen sank. Die Gründe dieser Menschen, ihre Heimat unmittelbar nach der Wende zu verlassen, ließen sich meist auf eine fehlende (berufliche) Perspektive zurückführen. Unter diesen Menschen befanden sich jedoch auch viele Leistungsträger/leistungsbereite Menschen, wodurch Ostdeutschland wichtige Arbeitskräfte fehlten. Dadurch setzte sich eine Spirale von negativen Entwicklungen in Gang. Besonders Geschäfte litten darunter, da viele von ihnen durch die fehlende Kundschaft schließen mussten und Mitarbeiter entlassen mussten. Unter den Abwanderern befanden sich besonders viele junge Leute, wodurch die Geburtenrate sank und ältere Menschen schnell einen Großteil der Bevölkerung ausmachten. Durch diese Entwicklung wurden die ostdeutschen Städte noch unattraktiver und die Wirtschaftsleistung sank infolge dessen.

2. Währungsunion

Am 1.7.1990 wurde in der DDR die D-Mark als offizielle Währung eingeführt. Mit dieser Handlung wurden den Forderungen von Demonstranten in der DDR nachgeben, die unter anderem damit gedroht hatte, die DDR zu verlassen, wenn die D-Mark nicht eingeführt werden sollte („Kommt die DM bleiben wir kommt sie nicht geh’n wir zu ihr“). Des Weiteren war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl davon überzeugt, dass man die Währungsunion möglichst schnell durchführen sollte, wenn man eine anhaltende Verbesserung der Lebensbedingungen in Ostdeutschland durch wirtschaftlichen Wiederaufbau bewirken wollte, damit die Wiedervereinigung erfolgreich verwirklicht werden konnte.

Der Wechselkurs von Mark zu D-Mark beim Umtauschen betrug damals 1:1 (bis zu einem bestimmten Betrag, der von der zugehörigen Personengruppe abhing (danach 2 Mark = 1 D-Mark)). Weil der Wert einer Währung jedoch immer von der jeweiligen Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaft abhängt, in der diese Währung genutzt wird, und die DDR eine deutlich schwächere Wirtschaft als die Bundesrepublik hatte, war der Wechselkurs nicht passend und hätte ungefähr 100 Mark = 30 D-Mark betragen sollen. Da der Wechselkurs von 1:1 jedoch eine Forderung der Menschen in der DDR gewesen ist, wurde auch dieser Forderung nachgegeben und ein großer Fehler begangen. Der Optimus, mit dem die Währungsunion mit dem Wechselkurs von 1:1 durchgeführt wurde, beruhte auf sehr positiven Wirtschaftsprognosen im Bezug auf die Bundesrepublik für die Jahre 1990 und 1991, die hohes Wirtschaftswachstum, Stabilität und trotz der Wiedervereinigung wenig Arbeitslosigkeit und Inflation prognostizierten. Laut der Prognosen sollte die Bundesregierung außerdem über genug finanzielle Reserven verfügen, um unter anderem für Anpassung der Renten, die Modernisierung der Infrastruktur und die Beseitigung der Umweltschäden in Ostdeutschland sorgen zu können. Dies stimmte im Nachhinein jedoch nur begrenzt.

Durch den Wechselkurs von 1:1 hatten die Ostdeutschen infolge sehr viel Geld, was einen „Kaufrausch“ auslöste. Die Auswirkungen auf die Unternehmen waren dramatisch. Sie mussten ihre Preise erhöhen, da sie auf einmal sehr viel höhere Löhne zahlen mussten. Dadurch konnten sich jedoch viele Menschen in den sozialistischen Bruderstaaten die ostdeutschen Produkte nicht mehr leisten und der Absatz sank. Insgesamt erhöhten sich die Ausgaben der Unternehmen, während sich die Einnahmen gleichzeitig verringerten, wodurch die Gefahr einer Insolvenz stark anstieg. Viele ostdeutsche Unternehmen gingen in der Folge bankrott, was auch den „Kaufrausch“ der Menschen abschwächte und so die Wirtschaftsleistung Ostdeutschlands weiter sinken lies.

3. Wirtschaftsunion (Treuhandanstalt)

Am 1. März 1990 wurde in Berlin die Treuhandanstalt gegründet, die zunächst als eine Art Sanierungsinstrument der staatlichen Industriepolitik gegründet wurde und später für die Privatisierung der vorherigen VEBs (Volkseigene Betriebe) der DDR sorgen sollte, denen fast vier Millionen Beschäftigte unterstellt waren. Die Treuhandanstalt privatisierte mehr als die Hälfte der VEBs und verkaufte sie an neue Eigentümer. Um die gekauften Unternehmen jedoch gut unterhalten zu können, mussten massive Investitionen der Käufer getätigt werden. Es musste unter anderem für neue Maschinen, Hallen und Sanierungen (aufgrund der geringen Umweltstandards der DDR im Vergleich zur Bundesrepublik) gesorgt werden. Da moderne Maschinen und effizientere Produktionsmethoden weniger Arbeitskräfte erfordern und ostdeutsche Produkte zur damaligen Zeit nicht gefragt waren, wurden auch in der Industrie massiv Arbeitsplätze abgebaut.

Die damals existenten Sozialpläne, die dafür sorgten, dass entlassene Mitarbeiter von Unternehmen nicht sofort arbeitslos wurden, sorgten durch die vielen Entlassungen für mehr als 7 Milliarden DM zusätzliche Kosten. Des Weiteren zahlte die Treuhandanstalt Subventionen an Unternehmen, die sich damals nicht auf dem Markt behaupten konnten, damit nicht mehr Menschen entlassen werden, wodurch viele weitere Kosten entstanden. Auch versuchten viele Geschäftsleute an diesen Subventionen zu verdienen und die Treuhandanstalt abzuzocken.

Viele Unternehmen wurden durch die Treuhandanstalt sehr günstig verkauft (teilweise für 1 DM). Der niedrige Wert der meisten Unternehmen war darin begründet, dass er von der Treuhandanstalt nicht durch den Wert der Maschinen, Gebäude und anderen Industrieausrüstungen gemessen wurde, die im Besitz des Unternehmens waren, sondern durch die Chancen des Unternehmens bestimmt wurde, auf dem freien Markt Geld zu verdienen. Da die meisten VEBs auf dem Markt jedoch nicht konkurrenzfähig waren, konnte für sie auch nicht viel Geld verlangt werden.

Durch den niedrigen Preis der Unternehmen kam es oft dazu, dass sie von Betrügern gekauft wurden, die versprachen, in die Unternehmen zu investieren. In Wirklichkeit verkauften viele von ihnen jedoch möglichste viele Besitztümer des Betriebs und schlossen diesen im Anschluss, was zu weiteren Arbeitslosen führte. Da eine erfolgreiche Übernahme und Sanierung eines Unternehmens nur in sehr wenigen Fällen gelungen war, waren viele ostdeutsche Arbeiter infolge dessen enttäuscht.

Die Folgen waren dramatisch. Nach nur einem halben Jahr nach der Wiedervereinigung am 3.10.1990 halbierte sich die Wirtschaftsleistung Ostdeutschlands und die Arbeitslosigkeit stieg um 30%. Von 25% der VEBs wurde von der Treuhandanstalt sogar angenommen, dass sie auf dem kapitalistischen Markt nicht überlebensfähig waren, wodurch sie direkt geschlossen wurden und viele Menschen arbeitslos wurden. Die restlichen Betriebe (1000 von 12000 ehemaligen VEBs) wurden an ihre alten Besitzer zurückgegeben, blieben also in der Hand von Ostdeutschen. Von den privatisierten Betrieben fielen jedoch 80% Westdeutschen in die Hände, nur 6% von ihnen gingen an Ostdeutsche (der Rest wurde von Ausländern erworben). Dadurch wurde die Wiedervereinigung, insbesondere die Wirtschaftsunion, von vielen Ostdeutschen als eine Art „Übernahme“ ihrer Heimat und Unternehmen durch den Westen empfunden. Auch viele Westdeutsche waren sehr unzufrieden mit der Wirtschaftsunion, da der abrupte Umstieg von der zentralen Planwirtschaft der DDR auf das kapitalistische System der Bundesrepublik sehr viel Geld kostete (Die Treuhandanstalt alleine machte von 1990 bis 1994 über 200 Milliarden DM Schulden, also ca. 60 Millionen DM pro Tag).

4. Sozialunion

Die Sozialunion diente der Ausweitung des sozialen Netzes der Bundesrepublik auf das Gebiet der ehemaligen DDR und wurde durch den „Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ vom 18.5.1990 beschlossen. Die Notwendigkeit der Sozialunion bestand darin, dass die Ostdeutschen die gleichen Sozialleistungen wie die Westdeutschen erhalten sollten, Ostdeutschland nicht durch fehlende soziale Absicherung noch unattraktiver werden sollte und der Abbau oder das Fehlen von Elementen des Sozialsystems zu einem Glaubwürdigkeitsverlust des neuen Systems geführt hätte. Die Sozialunion brachte jedoch auch große Kosten mit sich. Zum einen wurden diese durch die sehr hohe Arbeitslosigkeit verursacht, die durch Währungs- und Wirtschaftsunion entstanden war. Die Arbeitslosen wurden durch Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld versorgt und durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurde versucht, ihnen neue Arbeit zu geben, wodurch hohe Kosten verursacht wurden. Zum anderen mussten auch sehr hohe Renten in Ostdeutschland gezahlt werden, da in der DDR Vollbeschäftigung herrschte und Frauen dort deutlich mehr als in der Bundesrepublik arbeiteten. Weil die Wirtschaftsleistung der DDR jedoch relativ niedrig war, standen die Renten nicht wirklich im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung Ostdeutschlands nach der Wiedervereinigung, weswegen viel Geld vom Westen in den Osten fließen musste. Die Sozialunion war insgesamt eine sehr wichtige und wirksame Maßnahme, die jedoch viel kostete.

5. Eigentumsfrage

Als „Eigentumsfrage“ oder auch „offenen Vermögensfrage“ wird die Frage danach bezeichnet, wie mit dem enteigneten Eigentum von Bürgern von DDR und Bundesrepublik auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR umgegangen werden sollte. Da die vorherigen Enteignungen nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar waren und die Klärung der Frage auch eine sich aus der Rechtsordnung der Bundesrepublik ergebende zwingende juristische Notwendigkeit war, war sie eines der wesentlichen politischen Anliegen der Wiedervereinigung. Das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“, welches am 23.9.1990 von der Volkskammer der DDR erlassen wurde, sollte die Eigentumsfrage lösen.

Dadurch wurde beschlossen, dass Eingriffe in das Eigentum vom 8.5.1945 bis zum 7.10.1949 (Von der Kapitulation des Deutschen Reiches bis zur Gründung der DDR) nicht rückgängig gemacht werden sollten und sie weiter ihre Gültigkeit behalten sollten. Viele Menschen wurden missmutig und sahen dies damals als einen Eingriff in das geschützte Grundrecht des Eigentums an, die Verfassungskonformität des Beschlusses wurde jedoch am 23.4.1991 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Zudem wurde durch das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ festgelegt, dass Eingriffe in das Eigentum, die nach dem 7.10.1949 erfolgten, grundsätzlich den ehemaligen Eigentümern oder ihren jeweiligen Erben zurückgegeben werden sollten. Dieser Beschluss sorgte für besonders viel Gegenwind, da er als ein Hindernis für Investitionen angesehen wurde und bei vielen Ostdeutschen Angst vor einer Kündigung und Existenzängste auslöste. Auch wenn diese Maßnahme aus verfassungsrechtlichen Gründen vermutlich nicht anders möglich gewesen wäre, sorgte sie bei vielen Menschen für Missstimmung und zog oft langwierige Rechtsstreitigkeiten nach sich.




6. Kultur („Mentalität“)

Die vierzig Jahre, in denen Deutschland geteilt war, hatten ohne Zweifel auch kulturelle Spuren hinterlassen und zu einer „mentalen Spaltung“ geführt. Viele Ostdeutsche hatten sich an das planwirtschaftliche Wirtschaftssystem und die sozialistische Gesellschaft gewöhnt und erlitten nach der Grenzöffnung einen regelrechten „Kulturschock“ der hauptsächlich mit der kapitalistisch geprägten Wirtschaft der Bundesrepublik zusammenhing. Viele Ostdeutsche waren der Meinung, dass eine „DDR-Identität“ existieren würde, die man vor der westlichen Konsumgesellschaft schützen müsse. Bei vielen Ostdeutschen stellte sich außerdem ein Gefühl des Heimatverlustes und der Frustration ein, was damalige Meinungsumfragen und viele Wahlerfolge der linksgerichteten sozialistischen Partei PDS(Partei des Demokratischen Sozialismus) belegten. Bei vielen Westdeutschen entstand währenddessen Unverständnis, Missmut und Wut wegen der fehlenden Aufarbeitung der SED-Diktatur und der „Undankbarkeit“ der Ostdeutschen trotz der hohen Investitionen seitens der Bundesrepublik.  



Relevanz für die Gegenwart

Autorin: JW

Auch 30 Jahre nach dem rechtlichen sowie politischen Zusammenschluss der damaligen Deutschen Demokratischen Republik  (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bestehen die insgesamt 16 Bundesländer noch in ihrer Form, doch trotzdem hat sich über die Jahre doch das ein oder andere geändert.

Zum einen wurde die beim Zusammenschluss eingeführte Währung ausgetauscht. Seit dem 01. Januar 1999 gibt es anstelle der D-Mark, die am 01. Juli 1990 zum Zwecke einer Währungsunion eingeführt worden war, den Euro, die gemeinsame europäische Währung, in Deutschland.

Außerdem kam damals das Problem auf, dass viele Menschen unmittelbar nach dem Beenden der Trennung Ostdeutschland verlassen und in den Westen umsiedeln wollten, was darin resultierte, dass viele Wohnungen in den „neuen Bundesländern“ leer standen, auch wenn entsprechende Maßnahmen wie Rückbauten und Abrisse bereits getroffen worden waren. Dies ändert sich allerdings seit dem Jahr 2012 in größeren Städten sowie Universitätsstädten, wie beispielsweise Jena oder Leipzig, da diese an Beliebtheit gewinnen.

Die wirtschaftlichen Probleme, die die neuen Bundesländer durch die Wiedervereinigung erlitten, wurden ebenfalls weitestgehend behoben. Die Arbeitslosenquote im Osten hat sich im Vergleich zu den Höchstwerten in den letzten Jahren mehr als halbiert. In Anbetracht der Zahlen fällt einem zwar auf, dass es zwischen Ost und West wirtschaftlich noch große Unterschiede gibt, aber der Osten hat über die Jahre bedeutend aufgeholt.

Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ist auch heute noch ein sehr relevanter Feiertag, da er diesen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte unseres Landes zelebriert und an diesen bedeutenden Tag erinnert, an dem die deutschen Länder zu einem Staat zusammengeführt worden sind.




Quellen

Hauptartikel

  • Kein eindeutiger Autor, ‘‘Vergangenheitsbewältigung‘‘, Wikipedia, kein Datum angegeben (7.04.2020).
  • Kein eindeutiger Autor, ‘‘Treuhandanstalt‘‘, Wikipedia, kein Datum angegeben (6.04.2020).
  • Kein eindeutiger Autor, ‘‘Deutsche Wiedervereinigung‘‘, Wikipedia, kein Datum angegeben (5.04.2020).
  • Michael Schönherr, ‘‘Die Treuhand kostet Deutschland Millionen – bis heute‘‘, Mitteldeutscher Rundfunk, kein Datum angegeben (8.04.2020).


Relevanz-Artikel

  • Dannoritzer, Marlen, Warum sich die Ostdeutschen noch immer abgehängt fühlen, Welt, 10.10.2019 (21.04.2020)
  • Neuhaus, Carla, So unterschiedlich entwickelt sich die Wirtschaft in Ost und West, Tagesspiegel, 08.11.2019 (21.04.2020)

Bilder