Wendepunkte des 20. Jahrhunderts/erstes Anwerbeabkommen mit Italien

Aus ZUM Projektwiki

Autorin: LW


Erstes Anwerbeabkommen mit Italien

Im Jahre 1955 schlossen Deutschland und Italien das erste Gastarbeiter*innen-Anwerbeabkommen, um den steigenden Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland zu decken und die Zahl der vielen Arbeitslosen in Italien zu reduzieren.

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Anwerbeabkommen der Bundesrepublik Deutschland von 1955 bis 1968 [[https://File:Anwerbeabkommen der Bundesrepublik Deutschland 1955 bis 1968.svg commons wikimedia]] by Blank_map_of_Europe.svg: maix¿? File:Blank map of Europe 1956-1990.svg: Alphathon /'æɫfə.θɒn/ (talk) derivative work: Bigbossfarin Creator]] is licensed under CC BY-SA 3.0

Was ist ein Anwerbeabkommen? Ein Anwerbeabkommen war ein Abkommen zwischen zwei Ländern, das die Deckung des Bedarfes an Arbeitskräften in dem einen Land regelte und den Arbeitsplatzmangel in einem anderen Land reduzieren sollte. Dem einen Land eröffnete sich somit die Möglichkeit, Arbeitslose in das andere Land zu schicken, um dort für eine bestimmte Zeit zu arbeiten. Dem anderen Land wurden so nützliche Arbeitskräfte geschickt. Die Herkunftsländer der Arbeiter*innen gingen dabei meist den ersten Schritt, um ihren Arbeitsmarkt zu entlasten. Die Gastarbeiter*innen wurden dann im industriellen und landwirtschaftlichen Gewerbe eingesetzt.

Wie lief das Schließen des Abkommens ab? Vor und während des Krieges verließen viele Deutsche das Land, weshalb es weniger Leute in Deutschland gab, die hier arbeiten konnten. Dazu kam, dass die Industrieproduktion stieg und es die ersten Wehrpflichtigen gab. Deutschland hatte also wenige Arbeitslose, im Gegensatz dazu aber mehr nötige Arbeitsplätze. Diese wurden bspw. im Brücken- und Straßenbau, oder in der Arbeit in Bergwerken geschaffen. Diese Aufgaben galten als Arbeiten, für die Frauen nicht eingesetzt werden konnten. In Italien war das ganze anders, denn es gab viele Arbeitslose, aber kaum Arbeitsplätze. Jedoch wollte die deutsche Regierung keine italienischen Arbeiter aufnehmen, da sie vorerst mit den deutschen Arbeitern auskommen wollten. Weiter hieß es bei einer Verhandlung im Bundeswirtschaftsministerium, dass die Italiener „(…) eine geringe Arbeitsleistung, hohe Fehlschichten und Fluktuationen¹, kommunistische Unterwanderung und die Verbreitung von Krankheiten“([Zitat]) mit sich bringen würden.

Der Anstoß für die Abkommensschließung kam dann schließlich von Italien und erst der deutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard sah die Vorteile eines solchen Abkommens. Er begann mit der Vorbereitung des Abkommens bis schließlich der Arbeitsminister Storch und der italienische Außenminister Martino am 20.12.1955 das deutsch-italienische Anwerbeabkommen unterschrieben. 1956 veranschlagte die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zusätzlichen Arbeitskräftebedarf von 800.000 Menschen und von nun an konnten deutsche Unternehmen Gastarbeiter aus Italien beschäftigen. Die Arbeiter sollten laut des Abkommens jedoch nicht für immer in Deutschland bleiben, sondern für einen begrenzten Zeitraum in Deutschland angestellt werden (genaueres [hier]) 1973 folgte ein „Anwerbestopp“ von Deutschland, um den Arbeitsmarkt während einer schlechten Wirtschaftslage zu schützen. Dies erwies sich jedoch nicht als fördernd und demzufolge wurde ein Ausnahmekatalog für Ein- und Ausreise eingeführt, um Ein- und Ausreise besser überblicken und organisieren zu können.

Diese Vereinbarung war der Anstoß für weitere Abkommen bspw. zwischen Spanien, Griechenland und Deutschland(das Doppelabkommen) und zwischen Deutschland und der Türkei.

¹ Schwankungen von Größen, wie der Arbeitslosenzahl

  • In diesem Text werden Begriffe, die eine Personengruppe beschreiben, nicht gegendert. Gemeint ist trotzdem jedes Geschlecht.
Filmempfehlung

Die Speilfilm  „Almanya – Willkommen in Deutschland“ zeigt die heutige Situation der damaligen Einwanderer sehr gut. Er handelt von der Familie eines ehemaligen Gastarbeiters aus der Türkei, der seine Frau und Kinder nach Deutschland holte, welche in Deutschland aufgewachsen sind und Familien gegründet haben. Es zeigt den Prozess der Einwanderung und dem Einleben in Deutschland und besonders die Veränderung der nationalen Zugehörigkeit von Generation zu Generation sehr gut.

Relevanz des Abkommens für die Gegenwart

Autorin: LeJu

Das Anwerbeabkommen mit Italien hat bis heute stark unsere Kultur und die Frage nach der Einwanderung und Integration innerhalb Deutschlands geprägt. Nicht nur von den Arbeitern aus Italien, sondern auch aus den Ländern der aus diesen Jahren folgenden Abkommen, wie zum Beispiel aus der Türkei oder Griechenland, sind in Deutschland geblieben, holten ihre Familien nach und arbeiteten sich innerhalb der Betriebe hoch, in denen sie einst nur kurz für reine Körperliche Arbeit aushelfen sollten.


Wie schon gesagt, wollte Deutschland Gastarbeiter. Also Arbeiter, die für kurze Zeit nach Deutschland kamen, um auszuhelfen, und nach einer gewissen Zeit gegen neue Arbeiter ausgetauscht werden und zurück in ihre Heimat gehen sollten. Der Ausländeranteil stieg in den Jahren 1960-1973 von 1,2 auf 4,9 Prozent. Die deutsche Wirtschaft brauchte Arbeitskräfte. An Integration dachte keiner, denn es sollte ja eigentlich gar nicht erst eine Einwanderung stattfinden.

Der Plan der Deutschen Regierung ging nicht auf, da die Unternehmen meist nicht bereit waren jedes Jahr neue Arbeitskräfte einzuarbeiten. Also blieben die gleichen und lebten sich nach und nach ein.


Max Frisch brachte es 1965 auf den Punkt: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ Die am Anfang nur als „Gäste“ gedachten Arbeiter holten ihre Familien nach und arbeiteten sich innerhalb der Unternehmen immer weiter hoch. Die Kinder wuchsen in Deutschland auf und als der Zeitpunkt kam, an denen der Arbeitsmarkt in sich regulierte und die Arbeiter nicht mehr gebraucht wurden, war eine Ausreise nicht mehr realistisch.


Die Menschen, die nach Deutschland kamen lebten sich ein und prägen bis heute die Deutsche Kultur. Ohne diese bilateralen Abkommen würde es höchstwahrscheinlich nicht die kulinarische und sprachliche Vielfalt wie wir sie heute in Deutschland kennen geben. Heute sind außerdem viele Menschen mit italienischer und türkischer Abstammung in hohen Positionen der Gesellschaft zu finden, wie zum Beispiel der Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen Cem Özdemir, dessen Vater ebenfalls ehemaliger „Gastarbeiter“ ist.


Doch abgesehen davon hat es auch die Frage nach Deutschland als ein Einwanderungsland stark geprägt. Wie schon gesagt sollten die Gastarbeiter planweise nur für einen gewissen Zeitraum bleiben. Niemand dachte an Einwanderung oder gar an die Integration der Eingewanderten. Auch die Arbeiter wollten anfangs in Deutschland nur Geld verdienen um dann wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Diese sogenannte erste Generation der Eingewanderten hatte ein viel stärkeres Nationalbewusstsein als die darauf folgenden Kinder, die in Deutschland aufwuchsen, heirateten und ihre Familien gründeten. Bei vielen dieser Familien ist zu sehen, wie das Nationalbewusstsein der Vorfahren von Generation zu Generation abnimmt, und das deutsche immer mehr zunimmt.





Quellen

Abkommen über die ersten «Gastarbeiter», zeitklicks, Veröffentlichungsdatum unbekannt (geöffnet am 25.03.2020).

Erstes «Gastarbeiter-Abkommen» vor 55 Jahren´´, Bundeszentrale für politische Bildung, 20.12.2010 (geöffnet am 22.03.2020).

Gründler, Karl F., Erster Zustrom von Gastarbeitern aus dem Süden, deutschlandfunk, 20.12.2005 (geöffnet am 22.03.2020).

Siegfried-Hagenow, Monika, und ab nach Deutschland – Als die Italiener kamen Youtube, Phoenix 2005 (geöffnet am 22.03.2020).

Vor 60 Jahren: Start in ein neues Leben, inforadio, 06.01.2016 (geöffnet am 25.03.2020).