Wendepunkte des 20. Jahrhunderts/Erinnerungskultur in Italien
Nach 1945: Aufarbeitung des zweiten Weltkriegs und Faschismus in Italien
Nicht nur Deutschland verübte Gräueltaten im zweiten Weltkrieg. Auch Italien, welches unter Mussolinis Herrschaft ein enger Verbündeter Deutschlands war, verübte im Krieg Kriegsverbrechen und ist der Begründer des Faschismus. Dennoch fehlte lange Zeit ein Mitschuldeingeständnis und eine Aufarbeitung der Geschehnisse in Italien und in den besetzten Gebieten.
Faschismus
Mussolini´s Grabstätte, Fotografiert von marzia bisognin, ocasaggia. Auf Flicker veröffentlicht.
Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0 via Flickr
Der Faschismus ist eine in Italien um 1922 von Mussolini erfundene politische Bewegung.
Diese Form findet sich häufig wieder und wurde unter anderem von Hitler praktiziert, dieser ließ sich maßgeblich von Mussolini und seiner Herrschaftsform beeinflussen. Faschismus beschreibt extrem nationalistische, nach dem Führerprinzip organisierte, anti-liberale und anti- marxistische Bewegungen, Ideologien oder Herrschaftssysteme.
Faschismus und Machtergreifung Mussolinis in Italien vor und im Zweiten Weltkrieg
Wann ? | Was ? |
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1919 | Mussolini vereint Kampfbünde |
Oktober 1921 | Marsch auf Rom |
1920er-Jahre | Mussolini errichtet eine Diktatur |
Ab Mitte der 1930er-Jahre | Radikalisierung des Faschismus in der “Dritten Welle” |
Ende der 1930er-Jahre | Entwicklung einer faschistischen Kultur |
1939 | Beginn zweiter Weltkrieg |
1940 | Eintritt Italiens auf Seiten Deutschlands |
August 1943 | Italienische Soldaten widersetzen sich der Entwaffnung und einige schließen sich den Partisanen an |
September 1943 | Alliierte Landung auf Italienischem Festland |
28. April 1945 | Mussolini wird hingerichtet |
Faschismus in Italien
Die wirkliche Idee des Faschismus wurde in den 1920er-Jahren von Mussolini das erste Mal umgesetzt. Dieser hatte durch Paramilitärs, Straßenterror, Massenpropaganda und den Marsch auf Rom 1922 den Posten des italienischen Ministerpräsidenten erlangt. Er baute dann schrittweise mit einem Ermächtigungsgesetz, dem Verbot der übrigen Parteien, der Aufhebung der Bürgerrechte und der Pressefreiheit, dem Ausbau der Parteimiliz und den politischen Morden bis 1925 eine Einparteiendiktatur unter einem von ihm geführten „Großen Faschistischen Rat“ in Italien auf.1932 wurden die Werte des faschistischen Italiens erstmals aufgeschrieben. Diese beinhalteten die Werte des Faschismus wie z.B. die durch Krieg angestrebte Großmacht und das Führerprinzip. So führte Mussolini schon vor dem zweiten Weltkrieg mehrere Kriege, um eine Expansion Italiens zu erreichen. 1940 trat Italien in den zweiten Weltkrieg und den Westfeldzug als Verbündeter Deutschlands ein. Des Weiteren nutzte Italien teils in den besetzten Gebieten wie schon zuvor in seinen afrikanischen Kolonien die Strategie der verbrannten Erde, der ethnischen Säuberungen, der Massen-Internierung in italienischen Konzentrationslagern, der Geiselnahme, Geiselerschießung und der italienischen Kolonisation. Diese Strategie ähnelt stark der deutschen Terror-Besatzung in Polen vor dem Überfall auf die Sowjetunion.
Nach mehreren militärischen Misserfolgen und einer breiten Unzufriedenheit des Volkes wurde Mussolini 1943 festgenommen. Zwar wurde er von den Deutschen befreit und als Führer des Marionetten-Regimes der italienischen Sozialrepublik eingesetzt. Von dort musste er allerdings nach gescheiterten Verhandlungen mit Partisanen, fliehen. Am 28. April 1945 wurde er von Partisanen bei seiner Flucht entdeckt und erschossen.
Aufarbeitung nach 1945
Im Gegensatz zu Deutschland ist die Aufarbeitung der Taten im zweiten Weltkrieg und des Faschismus in Italien lange Zeit kein Thema, obwohl Italien der Geburtsort des Faschismus ist.
Teils liegt es wohl daran, dass die Alliierten versuchten mit Hilfe von Propaganda die Italiener auf ihre Seite zu holen. In dieser Propaganda wurde lediglich die Schuld Mussolini zugesprochen, welcher das Schicksal der Italiener in die Hände der barbarischen Deutschen gelegt hatte. In dieser Darstellung traf das italienische Volk keine Schuld, im Gegenteil sie wurden als Opfer dargestellt.
Nach dem Krieg war die italienische Bevölkerung gespalten zwischen antifaschistischen Linken und Italienern, die noch immer an das alte System glaubten. Natürlich half es den 1,2 Millionen Soldaten, die in dieses gespaltene Italien zurückkamen, die Schuld am zweiten Weltkrieg und an den Gräueltaten dem Aggressor Deutschland zuzusprechen und sich selbst als kriegsunwillig und gutmütig darzustellen. Somit musste sich die italienische Bevölkerung nicht weiter mit dem eigenen Verhalten im zweiten Weltkrieg beschäftigen, denn von Opfern wird keine Aufarbeitung gefordert.
Diese Opferrolle behielten sie noch lange bei, sodass sogar die Mehrheit des linken antifaschistischen Flügels Italiens Kolonien behalten wollten, da sich die Italiener doch humanitäre Verdienste bei der Zivilisierung der überseeischen Gebiete erworben hätten.
Des Weiteren gab es keinen “Nürnberger Prozess” in Italien, also keine juristische Aufarbeitung des Krieges.
Ein differenziertes Geschichtsbild entwickelte sich erst in den 90er und in jüngerer Zeit dadurch, dass das Bild des antideutschen Alibis kaum mehr existierte, mussten sich die Italiener selber mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. So wurde sich kritisch mit der Gewalt im Faschismus, mit der resultierenden rassistischen und antisemitischen Politik, dem Expansionsstreben, den Repressionen und Verbrechen im Krieg auseinandergesetzt.
Dennoch gab es immer wieder dabei auch eine Behinderung der Aufarbeitung. So wurde z.B. der Zugang zu Akten von italienischen Kriegsverbrechen verwehrt. Letztendlich kam der Dialog und die Reflexion zu spät und teils nicht umfangreich genug. So gibt es bis heute noch Spuren von einer verdrängten Debatte um Schuld und Mitschuld.
Faschismus und Spuren heute
Die Spuren einer verdrängten Debatte und eines nicht funktionierendem Systems der Aufarbeitung sind bis heute sichtbar. So gibt es z.B. bis heute ein Denkmal Mussolinis mitten in Rom vor dem Olympia Stadion welches sogar vor kurzem restauriert wurde. Das Problem dabei ist, dass es bei dem Denkmal keine kritische Auseinandersetzung mit dem Faschismus gibt, nicht mal eine Erwähnung der Verbrechen des Faschismus oder die des “Duces”, wie Mussolini gerne ehrfurchtsvoll genannt wurde.
Die Parlamentspräsidentin Laura Boldrini machte zum 70. Jahrestag der Befreiung Italiens den Vorschlag, den “Mussolini” Schriftzug am Denkmal zu entfernen. Was folgte war ein Aufschrei der Empörung.
Man könnte denken, dass so etwas nur von den älteren Menschen kommen würde, aber es gibt eine große Jugend-Gruppierung wie die “Jungen Italienischen Faschisten”, die auf Facebook auf 140.000 Likes kommen. Diese Gruppe spricht sich offen für Faschismus und gegen die Regierung aus.
Eigentlich sind solche Gruppierung, welche den Faschismus verherrlichen, seit 1952 gesetzlich verboten. Allerdings wird dies kaum durchgesetzt. So gibt es sogar eine faschistische Partei namens “Faschismus und Freiheit” welche sich mit dem Liktorenbündel und Beil schmückt, ein faschistisches Symbol welches auch Mussolini für seine Partei benutze. Das Problem dabei ist der große Zuwachs solcher Gruppierung in den sozialen Medien und die Machtlosigkeit der Justiz.
Predappio
Der Geburtsort und die Grabstätte Mussolinis sind weitere Relikte der Vergangenheit, die als Zeichen der Unentschlossenheit der Regierung angesehen werden können in der Frage, wie man mit der Vergangenheit umgehen soll.
So wird z.B. die Grabstätte Mussolinis stets mit frischen Blumen geschmückt und dutzende Kondolenzbücher wurden von Menschen gefüllt, welche sich den alten Duces zurück wünschen.
Die Stadt Predappio, die Mussolinis Geburtsort und nun der Ort seiner Grabstätte ist, wurde während der Herrschaft Mussolinis zur Musterstadt des Faschismus umgebaut. Damals sollen Massen in die Stadt gepilgert sein, um die Geburtsstätte des Duces zu sehen. Selbst der König tat dies.
Nach dem Umsturz Mussolinis war dies anders, man musste sich Schämen von dort zu kommen. Doch nun gibt es Touristenshops welche z.B. Tassen mit SS Runen und Feuerzeuge mit faschistischen Symbolen verkaufen. Sogar Hakenkreuz-Flaggen gibt es dort. Eine kritische Auseinandersetzung fehlt dort völlig.
Quelle: