(Post-)Kolonialismus/Straßennamen
Straßennamen begegnen einem häufig. Meistens weiß man nicht genau, wer die Person war, denkt aber, dass es ein besonderer Mensch gewesen sein muss, der es wert war, auf einem Straßenschild verewigt zu werden. Vielleicht fragst du dich, warum manche Straßen umbenannt werden? Vielleicht hast du schon mal einen Knoten an einem Straßenschild gesehen und wusstest nicht, was er bedeutet.
Was es damit auf sich hat und was es mit Kolonialismus zu tun hat, erfährst du in diesem Text.
Historischer Kontext von Straßennamen
Straßennamen haben immer wieder einen kolonialen Hintergrund. Es sind mehr, als man denkt. In Hamburg sind es über 100. (Statista)[1]
Nach und während der Zeit des Kolonialismus wurden die Straßen oft nach kolonialen Personen benannt. Zum Beispiel sind in Deutschland 37 Straßen (Stand 2018) allein nach Adolf Lüderitz benannt (Statista)[2]. Er und viele weitere Personen waren Idole, die man auf Straßenschildern ehren wollte und deren Taten man für vorbildlich und heldenhaft hielt. Doch heute hat man seine Meinung über sie geändert, findet ihre Handlungsweisen anstößig und möchte die Benennung ändern, da die Ansichten dieser Personen nicht mehr vertreten werden.
Immer wieder wurden Straßen auch mit Bezeichnungen, die heute rassistisch und abwertende Bezeichnungen für Menschen schwarzer Hautfarbe sind, zum Beispiel „Mohren“, benannt. 63 Straßen und Plätze Deutschlands beinhalten dieses rassistische Wort, das früher ein geläufiges, „normales“ Wort war, heute aber abschätzig ist (Statista).[3] Solche Namen sind deutliche Spuren des Kolonialismus, den man heute nicht weiter unterstützen möchte. Und wer will schon in einer Straße wohnen, mit deren Namen viele Menschen beleidigt werden?
Umgang mit „problematischen“ Straßennamen
Lösungsvorschläge gibt es viele und die Lösung unterscheidet sich von Fall zu Fall.
Der häufigste Vorschlag ist es, die Straße umzubenennen. Viele sehen darin ein Verdrängen von Erinnerungen, aber Simone Dede Ayivi von der ISD (Initiative schwarzer Menschen in Deutschland) meint dazu: „Es geht nicht ums Vergessen oder darum, Geschichte auszulöschen, […] es ist genau das Gegenteil. Wir wollen, dass die Perspektive geändert wird und […] anstelle der Unterdrücker sozusagen Menschen des Widerstands geehrt werden.“ (dlf)[4]
Einige Straßen wurden schon umbenannt, so zum Beispiel die Eduard-Haber-Straße in Tübingen, die jetzt „Felicia-Langer-Straße“ heißt. Eduard Haber war rassistisch, kolonialistisch und demokratiefeindlich, wogegen Felicia Langer sich für Menschenrechte einsetzte (Tübingen)[5]. Damit werden die Gegenbewegungen zum Kolonialismus hervorgehoben. So werden dann nicht die Täter geehrt, sondern Personen, die sich gegen Rassismus und Kolonialismus einsetzten. Das ist wichtig, denn so wird die Vergangenheit und der Kolonialismus nicht vergessen und gleichzeitig erinnert man sich nicht nur an die Täter, sondern auch an Widerstandskämpfer und die Unterdrückten.
Doch da eine Umbenennung ein hoher bürokratischer Aufwand ist, scheiterten viele Versuche, Straßen (z.B. durch Initiativen) umzubenennen. Deshalb werden manche Straßen nicht umbenannt, sondern alternativ mit Hinweisschildern und Knoten, die auf den umstrittenen Namensgeber hinweisen, versehen. So zum Beispiel der Lämmleweg (nach August Lämmle benannt) in Hirschau (Tübingen).[6]
Wieder andere werden umgewidmet. Dann erinnert der Straßenname nicht mehr an die Person mit negativem Hintergrund, sondern an eine Person mit gleichem Namen, die man als ehrwürdiger sieht. An diesen Personen, deren Meinung und Taten man heute vertritt, sollte man sich eher als Vorbild nehmen. Ein Beispiel ist die Albrechtstraße, die nach Herzog Albrecht von Württemberg benannt wurde. Er trug im ersten Weltkrieg maßstäblich dazu bei, dass der erste großflächige Giftgasangriff stattfand. Jetzt erinnert die Albrechtstraße an Berty Albrecht, eine Gegnerin des deutschen Nationalsozialismus.
Ausblick
Aber bei vielen Straßen mit problematischen Namen wurde noch nichts geändert.
Das ist erst der Anfang vieler Diskussionen und Umbenennungen und bestimmt werden noch viele folgen.
Man sollte sich mit den Namensgebern von Straßen zu befassen, um zu wissen, was für Personen es waren und ob der Name rassistische und koloniale Hintergründe hat.
Wenn du nicht weißt, wer die Person war, nach der deine Straße benannt wurde, dann solltest du dich zeitnah darüber informieren. Erkundige dich darüber, welchen Hintergrund Straßennamen in deiner Umgebung haben. Vielleicht findest du Straßen, deren Namen dringend geändert werden müssten und wirst Teil einer Umbenennung. Es ist wichtig, auf Straßennamen zu achten, ihre Hintergründe zu kennen und sie nicht einfach nur hinzunehmen.
Quellen
Bildquelle: https://www.tuebingen.de/strassennamen-in-der-kritik
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1121534/umfrage/staedte-mit-kolonialen-strassennamen/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1121656/umfrage/koloniale-strassennamen/
https://www.deutschlandfunkkultur.de/internetseite-tearthisdown-eine-deutschlandkarte-kolonialer-100.html
https://www.tuebingen.de/strassennamen-in-der-kritik