Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Lyrik im thematischen Längsschnitt

Aus ZUM Projektwiki

Bertolt Brecht: Über das Zerpflücken von Gedichten (ca. 1935): Der Laie hat für gewöhnlich, sofern er ein Liebhaber von Gedichten ist, einen lebhaften Widerwillen gegen das, was man das Zerpflücken von Gedichten nennt, ein Heranführen kalter Logik, Herausreißen von Wörtern und Bildern aus diesen zarten blütenhaften Gebilden. Demgegenüber muss gesagt werden, daß nicht einmal Blumen welken, wenn man in sie hineinsticht. Gedichte sind, wenn sie überhaupt lebensfähig sind, ganz besonders lebensfähig und können die eingreifendsten Operationen überstehen. [...] Der Laie vergißt, wenn er Gedichte für unnahbar hält, daß der Lyriker zwar mit ihm jene leichten Stimmungen, die er haben kann, teilen mag, daß aber ihre Formulierung in einem Gedicht ein Arbeitsvorgang ist und das Gedicht eben etwas zum Verweilen gebrachtes Flüchtiges ist, also etwas verhältnismäßig Massives, Materielles. Wer das Gedicht für unnahbar hält, kommt ihm nicht wirklich nahe. In der Anwendung von Kriterien liegt ein Hauptteil des Genusses. Zerpflücke eine Rose und jedes Blatt ist schön.[1]

Ausgehend von dem historischen Ereignis des Jahres 2020, 30 Jahre Wiedervereinigung, werden deutschsprachige, politische Gedichte und Songtexte unterschiedlicher Dekaden zusammengetragen und analysiert.

Politische Lyrik im Wandel der Zeit

Politische Lyrik ist kommunikative Lyrik:

Was wird wann wie von wem wozu vorgetragen?
Inhalt/

Thema

historisch-sozialer Zusammenhang, auf den sich das Gedicht bezieht inhaltlich,

sprachlich,

formal

Bedingungen der Autorin/des Autors Intention

(Absicht)


Aufgabe: Erprobe das abgebildete Analyseschema an einem der von dir ausgewählten Gedichte.

Inhaltsanalysen

Mascha Kaléko: Der kleine Unterschied

1) Ein deutscher Auswanderer spricht mit dem Amerikaner Mister Goodwill. Der Einwanderer zählt dabei Land, Heimat und Gedicht auf und sagt, dass diese Sachen immer noch die gleichen sind, nur auf Englisch. Daraus zieht er das Fazit, dass er glücklich, jedoch nicht "happy" ist. Sein Gesprächspartner versteht nicht was er meint.

Der Einwanderer spricht mit „Mister Goodwill“ (V. 1), einer fiktiven Person. „Goodwill“ ist der englische Begriff für Wohlwollen, wodurch klargestellt wird, wie die Person zu Immigranten steht. Die zweite Person im Gedicht ist ein deutscher Emigrant (V. 2), der wahrscheinlich nach Amerika ausgewandert ist, da im Jahr 1940, in dem das Gedicht erschienen ist, viele Deutsche in die USA ausgewandert sind. Er vergleicht seine Muttersprache mit der englischen Sprache (V. 3 - 5). Dabei vergleicht er auch sein neues „land“ (V. 3) mit seinem alten „Land“ (V. 3) in den Kriterien ob sich das neue „homeland“ (V. 4) wie die „Heimat“ (V. 4) anfühlt und wie die amerikanischen „poem[s]“ (V. 5) im Vergleich zu den deutschen „Gedicht[en]“ (V. 5) sind. Er kommt zu dem Entschluss, dass es in Amerika und in Deutschland prinzipiell gleich ist, da er immer noch „happy“ (V. 6) ist, aber dennoch ist er nicht so „glücklich“ (V. 7) und kann nicht richtig sagen warum dieser kleine Unterschied ihm so wichtig ist. Mister Goodwill versteht nicht was der Einwanderer ihm sagen möchte und denkt die beiden Gefühle sind "dasselbe" (V. 8).

2) Das Gedicht handelt von einem Migranten aus Deutschland, der zu einem Einheimischen spricht(v.1-2). Dieser hat den englisch klingenden Namen Mr Goodwill. Das liegt nahe, dass der Migrant in ein englischsprachiges Land emigriert ist. Der Migrant fragt sich ob er die deutsche oder englische Version der Wörter Land, Heimat und Gedicht nutzen soll(v.4-6) obwohl er vorher meinte: "Gewiss, es bleibt dasselbe."(v.3). Das sind keine zufällig ausgewählten Wörter. Besonders das Wort "Gedicht" ist ein Hinweis darauf, dass der Migrant Dichter ist. Er weiß, dass die Wörter im deutschen nicht ganz gleich sind wie im englischen und anderssprachige deshalb seine Gedichte nicht verstehen könnte. Das macht ihm Sorgen und deshalb lässt er in Vers 7 und 8 seinen Unmut darüber in ähnlicher Art und Weise hinaus.

Paul Celan: Todesfuge
Nelly Sachs: Gebete für den toten Bräutigam

1) Das Gedicht ist aus der Perspektive einer Witwe(lyrisches Ich) geschrieben (V. 3 und Titel), die am Grab ihres Mannes steht und sich dabei erst weinend fragt was die Elemente meinen(V. 6). Als Elemente werden hier Symbole aus den ersten Versen eine Kerze (V.1), Tränen (V.3) und Erde/Satun (V.4) verstanden. Diese Elemente werden in ihrem folgenden Gedankengang wieder aufgegriffen. Die Witwe fragt sich verzweifelt (V.9) wie ihr Bräutigam denn, anscheinend während des Holocaust (V.23), verstorben ist (Nelly Sachs lebte als Jüdin zu Zeiten des dritten Reichs). Hier werden dann von ihr Vermutungen aufgestellt. So ob der letzte Blick (V.10) des Verstorbenen ein Stein oder Erde war, der letzte Weg, eine Wasserlache, Metall oder der Feind gar selbst (V.11-23). Als letztes Element wird die Luft aufgegriffen(V.25). Als Himmel steht sie für die Hoffnung der Witwe auf ein friedvolles Nachleben ihres Mannes.

Reiner Kunze: Die Antenne
Udo Jürgens: Griechischer Wein

1) Es ist dunkel und ein Mann geht eine Straße runter. Er sieht ein Wirtshaus woraus Licht scheint. Ihm war kalt, weshalb er reinging (V.1-5). Im Wirtshaus sitzen Männer mit braunen Augen und schwarzen Haaren, welche südliche Musik hören und ihn einluden (V. 6-11). Ihm wird Griechischer Wein eingeschenkt und wird traurig, weil er mer an die Heimat denken muss(V.12-17). Sie hören vertraute Lieder und Trinen noch mehr Wein und fühlen sich fremd in der Stadt wo sie sind(V.20-24). Die Männer in der Bar erzählen von der Natur, ihren Kinder und Frauen aus der Heimat(V. 25-27). Doch sie sagen das sie zurückgehen und mit ihrem Ersparten Glücklich sein werden und sie nicht mehr darüber nachdenken müssen wie es hier war(V.28-33).

2) Ein Mann geht abends durch die Vorstadt, bis er in ein Gasthaus eingeladen wird in dem südländische Musik läuft. Er trinkt mit den dort sitzenden griechischen Wein während sie ihm von ihrer Heimat und ihren Familien erzählen, die sie wiedersehen wollen, sobald sie genug Geld gespart haben um sich in ihrer Heimat ein gutes Leben leisten zu können.

Die Männer in dem Gasthaus haben "braune Augen" (V. 6f) und "schwarze[s] Haar" (V. 7), was zusammen mit der "fremd[en]" (V. 9) Musik darauf hindeutet, dass die Männer Einwanderer sind. Der Refrain wird aus Sicht der Männer in dem Wirtshaus erzählt, die beim Gedanken an zuhause traurig werden (V. 15 - 17) und Sehnsucht empfinden (V. 22). Außerdem trinken sie "griechische[n] Wein" (V. 12), der auch "das Blut der Erde" (V. 13) genannt wird, was auf die Herkunft der Einwanderer schließen lässt. Anschließend erzählen die Männer ihm von ihrer Heimat (V. 25) und ihren Frauen und Kindern, die sie zurückgelassen haben (V. 26f) um Geld "für ein kleines Glück" (V. 31) in ihrer Heimat zu haben. Dieses Ziel ist typisch für Gastarbeiter, die in ihrer Heimat keinen Beruf finden. Gleichzeitig kann sich jedoch kaum einer diesen Traum erfüllen (V. 28f) und trotzdem träumen sie davon. Da die Gastarbeiter nicht das Ziel haben dauerhaft in Deutschland zu bleiben versuchen sie kaum sich zu integrieren und bleiben "immer nur ein Fremder" (V. 46).

3) Die erste Strophe beginnt mit einer Person, die zu später Stunde ein Gasthaus betritt(v.1–5). Dort trifft sie auf Männer "mit braunen Augen und mit schwarzem Haar", die südliche Musik hören(v.6–8). Das sind Hinweise darauf, dass sie aus einem südlichen Land stammen. Diese Leute laden das lyrische ich ein sich zu ihnen zu setzen(v.9–10). Der nun folgende Refrain wird von einem zweiten lyrischen ich gesungen. Dieses erzählt von dem bereits im Titel erwähnten griechichen Wein, der das Blut der Erde ist(v.11–12). Mit Blut der Erde ist gemeint, dass der griechische Wein etwas ganz besonderes ist. Und das würde vor allem für Griechen zutreffen. Da die Fremden auch noch südlich aussehen und südliche Musik hören, sind sie ziemlich eindeutig Griechen. "Und wenn ich dann traurig werde. Liegt es daran. Dass ich immer träume von daheim. Du musst verzeihen."(v.15-18) verdeutlicht dem Leser die Sehnsucht der Griechen und zeigt, dass sie lieber zu hause wären. Die Verse 22-24 führen dies weiter aus. Und die wiederholte Aufforderung zum Nachschenken in den Versen 14 und 21 erzählt, dass die Griechen den Wein gegen das Heimweh gebrauchen. Dann folgt die zweite Strophe aus der Perspektive des ersten lyrischen ichs. Diese beginnt damit, dass die Griechen von "von grünen Hügeln, Meer und Wind"erzählen(v.25). Damit ist ihre Heimat gemeint. Außerdem erzählen sie von ihren noch jungen Frauen, die dort alleine mit ihren Kindern, welche nicht einmal ihren Vater kennen, leben(v.26-27). Das bedeutet, dass die Griechen nicht grundlos fortgereist sind, sondern eine wichtige Absicht hatten. Allerdings wollen sie wieder zurück, wenn sie genug gespart haben(v.28-31). Diese Verse machen dem Leser endgültig klar, dass diese Griechen Gastarbeiter sind. Sie sind also nur zeiich begrenzt von der Heimat entfernt sind und bald wieder zurückkehren wollen. Der letzten Verse der zweiten Strophe "Und bald denkt keiner mehr daran. Wie es hier war."(v.32-33) verdeutlichen noch einmal, dass die Griechen es nicht so toll finden und eigentlich lieber zu hause wären. Abschließend folgt nur noch einmal der Refrain


Karat: Über sieben Brücken musst du gehn


Marius Müller-Westernhagen: Freiheit

1) Er schreibt über die Feier nach gemachten Verträgen, wo nur noch die Freiheit fehlt (vgl. V. 1-3). Ansonsten ist soweit alles gut, schreibt er weiter, außer eben das die Freiheit fehlt (vgl. V. 8-9) und das sie das einzige ist was zählt. Diese sollte deswegen auch gefeiert werden. Die Überschrift passt sehr gut zum Gedicht, weil das Wort Freiheit häufig wiederkehrt (V. 4,8,10,14,18,20) und das Gedicht allgemein die Freiheit thematisiert. Die, durch die Überschrift, erweckten Erwartungen werden also erfüllt. Das die Freiheit gefeiert werden soll taucht wiederholt in weiteren Versen auf (V. 15-17). In den letzten Versen taucht nun erneut die Feststellung auf, dass die Freiheit das einzige ist was zählt (V. 18-21).

2) In dem Gedicht „Freiheit“ wird der Verlust von Freiheit beklagt. Anfangs wird erzählt, dass die Menschen mit der Arbeit fertig und fröhlich sind (V.1-4). Im Laufe des Gedichtes wird jedoch klar, dass die vorher so gefeierte Freiheit fehlt (V.8,9).

Eva Strasser: Die Welt steht still

1) Die Verse 1 bis 4 beschreiben alle eine stille, eingefrorene und unwirkliche Situation, die in Bezug auf Erscheinungsjahr und Erscheinungsmedium als Beschreibung des Corona-Lockdowns gedeutet werden können. Die Vögel(V. 5) die die Dichterin erwähnt können hinter diesem Hintergrund als Reisen allgemein oder spezifischer als Flugzeuge gedeutet werden. Damit werden die weltweiten Reisebeschränkungen sowie, wenn man sich mehr auf den Suizid bezieht, die ebenso weltweiten Wirtschaftseinbrüche angesprochen. Die Aussage über die Wirtschaftseinbrüche lässt sich auch noch auf den Vers Fünf ("Die Stadt ist eine Wüste") beziehen. Die als leer und einsam charakterisiert wird und die Geschäfte in dieser vor finanzielle Probleme stellt. In Vers 6 ("Mauern stürzen ein") wird auf darauf Bezug genommen wie grundlegende Systeme plötzlich nicht mehr funktionieren und im letzten Vers wird die allgemeine Stimmung angedeutet. So war die Welt vormals schön und ist jetzt gebrochen steht also im Gegensatz zur Vergangenheit.


2) Die Welt steht Still und es herrscht eine gefrorene Ohnmacht(V.1-2). Über den Plätzen schwebt eine unwirkliche Ruhe und Vögel begehen Selbstmord (V.3-5). Mauern sind eingestürzt, die Stadt ist eine Wüste und Blumen sind gebrochen(V.7-9).

3) ,,Die Welt steht still‘‘(V.1) , scheint so als würde die Welt beobachtet werden. Dieser Satz ist auch in der Überschrift wieder zu finden, daher ist es also von starker Bedeutung. ,,Stille“, verbinde ich mit Adjektiven wie Frieden, ruhig, stillstehend, leere. ,,unwirkliche Ruhe‘‘(V.3), etwas unvorstellbares, keiner hätte sich jemals vorstellen können, was aus der Welt mal wird. ,,Mauern stürzen ein‘‘(V.5), die Schutzmauer ist weg, die Sicherheit geht verloren. ,,die Stadt ist eine Wüste‘‘(V.7), damit verbinde ich die Adjektive wie verlassen oder trocken.

4) Die Welt wird in diesem Gedicht als stillstehend und surreal beziehungsweise unwirklich (V.3) beschrieben. Eva Strasser versucht mit verschieden unwirklichen Beispielen den aktuellen Zustand zu erklären. So erwähnt sie suizide Vögel (V.5), einstürzende Mauern (V.6), eine wüstenähnliche Stadt (V.7) oder brechende Blumen (V.8).


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  1. Bertolt Brecht: Über Lyrik. Frankfurt/M. 1977, S. 123