Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Erzählungen: Lebensentwürfe in der Literatur aus unterschiedlichen historischen Kontexten/Sommerhaus später/Sommerhaus später - Sprache/Sommerhaus später - Das Sommerhaus als Utopie oder Ort gescheiterter Existenz?

Aus ZUM Projektwiki
Abb.: Pippi Langstrumpf - Villa Kunterbunt. cc: Maia Parmakova. pinterest 2020.

So in etwa stelle ich mir das Sommerhaus vor. Es ist zwar nicht so stark heruntergekommen, ähnelt aber der Form, welche ich mir vorstelle. Um tatsächlich dem Sommerhaus zu entsprechen, müssten die Fenster kaputt sein und Fensterläden herunterhängen. Zudem müsste es aus Ziegelstein bestehen und hölzerne Pferdeköpfe müssten an beiden Seiten sein.

Stein als Brandstifter?

Ich denke, dass Stein der Brandstifter sein könnte. Nach jeglichen gescheiterten Versuchen, das Interesse der Ich-Erzählerin zurückzugewinnen, entschließt sich Stein nach monatelangen Renovierungsarbeiten, das Haus abzubrennen, was darstellt, dass die Ich-Erzählerin hätte auf ihn zukommen sollen, und dass Chancen nicht ewig bleiben (vgl. S.153-156).

Die Reaktion

Die Ich-Erzählerin liest den Zeitungsartikel dreimal (vgl. S.156). Das zeigt, wie schockiert sie ist und und nicht glauben kann, was in diesem steht. Als Falk, mit wem sie in einer Beziehung zu sein scheint (vgl. S. 156) fragt, was sie gelesen habe, antwortet sie mit "nichts" (S.156). Das deutet an, dass ihre Gefühle für Stein nicht erloschen sind. Als sie dann aufsteht und "stumpfsinnig vor dem Herd herum"steht (S.156), wird der Schock erneut deutlich.

"Später"

Das abschließende "Später" (S.156), welches die Erzählung beendet, beendet auch die Beziehung der Ich-Erzählerin mit Stein. Ihre Eigenschaft, alles aufzuschieben und nicht aus eigener Initiative zu handeln, wird mit diesem "Später" ( S.156) zusammengefasst. Die Ich-Erzählerin handelt nämlich, vor allem in Bezug auf die Beziehung mit Stein, nicht von selbst. Sie wartet auf eine klare Einladung Steins, mit ihm in das Haus zu ziehen (vgl. S.155). Das kann man auch so deuten, dass sie Angst hat, die Postkarten als ein Zeichen zu sehen, obwohl sie keine sein sollen, und verletzt werden würde, wenn sie auf Stein zuginge und abgelehnt werden würde.

Das Sommerhaus als Utopie oder als Scheitern einer Existenz?

Das Sommerhaus spielt in der Erzählung "Sommerhaus, später" eine zentrale Rolle. Als die Ich-Erzählerin durch das Haus geht, wird der ruinöse Zustand des Hauses klar. Die Ich-Erzählerin denkt, dass "es jeden Moment lautlos und plötzlich in sich zusammenfallen" (S,148) könnte. Den meisten Fenstern fehlen die Scheiben, die Veranda ist windschief und es gibt nicht überall Türen (vgl. S.148 f.).

In Bezug auf Steins Vorstellungen über eine Zukunft mit der Ich-Erzählerin, wird, bei Steins indirektem Angebot mit ihr das Haus zu renovieren, klar, dass sie nicht darauf eingehen wird. Anstatt das Angebot anzunehmen, fragt sie, wieso Stein 80.000 Mark bezahlt hat, nur um dem/der Protagonisten/-in eine Möglichkeit zu zeigen (vgl. S.152). Auch eine Einladung für die gesamte Clique, mit in das Haus zu ziehen, was als Mittel zum Anlocken des/der Ich-Erzählers/-in interpretiert werden kann, wird nicht angenommen (vgl. S.150).

Weiter kann die Renovierung des Hauses als Utopie gesehen werden, und als fehlenden Realitätsbezug Steins. Der/Die Ich-Erzähler/-in beschreibt beim Anblick und der Führung durch das Haus, in welch ruinösem Zustand sich dieses befindet. Die Idee Steins, all die kaputten und heruntergekommenen Sachen zu reparieren, macht einen unmöglichen, ja utopischen Schein (vgl. S.148-150).

Das Abbrennen des Hauses könnte dann die Zerstörung der gemeinsamen Zukunft, welche sich Stein mit dem/der Ich-Erzähler/-in in dem Haus vorgestellt hat, darstellen.

Anstatt das Haus aber als Scheitern einer Existenz zu sehen, stellt es eher das Scheitern der einseitigen Beziehung dar. Dadurch, dass das Haus "ein großes, zweistöckiges Gutshaus aus rotem Ziegelstein, [...] ein skelletiertes Giebeldachmit zwei hölzernen Pferdeköpfen zu beiden Seiten" (S.148) kann vermutet werden, dass es sich um einen ehemaligen Frachtbau handelt. In welchem Zustand das Haus bis zu diesem Zeitpunkt war, kann synchron mit der Entwicklung der Beziehung von Stein und dem/der Ich-Erzähler/-in gesehen werden. Der ehemalig gute Zustand, was die häufigen gemeinsamen Autofahrten vermuten lassen (vgl. S.141 f.), ihrer Beziehung, ist nach dessen Ende, wie bei dem Haus verloren gegangen.

Der Fakt, dass die Beziehung zwischen Stein und dem/der Protagonisten/-in einseitig von Stein stattfindet, jedenfalls nach dem Schluss ihrer Beziehung, wird schon zu Beginn der Erzählung klar. So ruft nach zwei kontaktlosen Jahren nicht etwa der/die Ich-Erzähler/-in an, sondern Stein (vgl. S.139). Der weitere Verlauf des Telefonats gründet sich ebenfalls auf Steins Willen zu reden. So redet der/die Protagonist/-in lediglich zögerlich mit ihm (vgl. S.139), oder beantwortet seine Fragen nur kurz und knapp (vgl. S.140). Stein schickt die Postkarten an den/die Erzähler/-in auch ohne antworten zu bekommen, sondern nur, damit er/sie sie lesen und in eine Schublade packen kann (vgl. S.155 f.).

Das ist allerdings nicht auf eine Bequemlichkeit des/der Erzählers/-in zurückzuführen. Bequemlichkeit nicht, da er/sie hätte garnicht mitkommen müssen, um das Haus zu besichtigen (vgl. S.140).

Mangelndes Interesse kann auch nicht der Grund sein. So fällt dem/der Protagonisten/-in nichts ein, wenn Stein auftritt (vgl. S.139), was auf noch immer bestehende Gefühle für ihn hindeutet. Auch als er/sie nach Steins Hand greift, stellt der/die Ich-Erzähler/-in fest, Steins Berührung nicht mehr verlieren zu wollen (vgl. S.149). Zuletzt steht der/die Protagonist/-in "zehn Minuten lang stumpfsinnig vor dem Herd herum" (S.156), nachdem er/sie erfährt, dass das Haus abgebrannt und Stein vermisst ist (vgl. S.156). Das stellt den Schock dar, in welchem sich der/die Ich-Erzählerin zu diesem Zeitpunkt befindet, da er/sie sich Sorgen um Stein macht. [LeWNSG]