Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Erzählungen: Lebensentwürfe in der Literatur aus unterschiedlichen historischen Kontexten/Sommerhaus später/Sommerhaus später - Sprache/Sommerhaus später - Das Sommerhaus als Utopie oder Ort gescheiterter Existenz?: Unterschied zwischen den Versionen

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"Später"
"Später"


Das abschließende "Später" (S.156), welches die Erzählung beendet, beendet auch die Beziehung der Ich-Erzählerin mit Stein. Ihre Eigenschaft, alles aufzuschieben und nicht aus eigener Initiative zu handeln, wird mit diesem "Später" ( S.156) zusammengefasst. Die Ich-Erzählerin handelt nämlich, vor allem in Bezug auf die Beziehung mit Stein, nicht von selbst. Sie wartet auf eine klare Einladung Steins, mit ihm in das Haus zu ziehen (vgl. S.155). Das kann man auch so deuten, dass sie Angst hat, die Postkarten als ein Zeichen zu sehen, obwohl sie keine sein sollen, und verletzt werden würde, wenn sie auf Stein zuginge und abgelehnt werden würde.
Das abschließende "Später" (S.156), welches die Erzählung beendet, beendet auch die Beziehung der Ich-Erzählerin mit Stein. Ihre Eigenschaft, alles aufzuschieben und nicht aus eigener Initiative zu handeln, wird mit diesem "Später" ( S.156) zusammengefasst. Die Ich-Erzählerin handelt nämlich, vor allem in Bezug auf die Beziehung mit Stein, nicht von selbst. Sie wartet auf eine klare Einladung Steins, mit ihm in das Haus zu ziehen (vgl. S.155). Das kann man auch so deuten, dass sie Angst hat, die Postkarten als ein Zeichen zu sehen, obwohl sie keine sein sollen, und verletzt werden würde, wenn sie auf Stein zuginge und abgelehnt werden würde. [<nowiki/>[[Benutzer:LeWNSG|LeWNSG]]]
 
'''Das Sommerhaus als Utopie oder als Scheitern einer Existenz?'''
 
Das Sommerhaus spielt in der Erzählung "Sommerhaus, später" eine zentrale Rolle. Als die Ich-Erzählerin durch das Haus geht, wird der ruinöse Zustand des Hauses klar. Die Ich-Erzählerin denkt, dass "es jeden Moment lautlos und plötzlich in sich zusammenfallen" (S,148) könnte. Den meisten Fenstern fehlen die Scheiben, die Veranda ist windschief und es gibt nicht überall Türen (vgl. S.148 f.).
 
In Bezug auf Steins Vorstellungen über eine Zukunft mit der Ich-Erzählerin, wird, bei Steins indirektem Angebot mit ihr das Haus zu renovieren, klar, dass sie nicht darauf eingehen wird. Anstatt das Angebot anzunehmen, fragt sie, wieso Stein 80.000 Mark bezahlt hat, nur um dem/der Protagonisten/-in eine Möglichkeit zu zeigen (vgl. S.152). Auch eine Einladung für die gesamte Clique, mit in das Haus zu ziehen, was als Mittel zum Anlocken des/der Ich-Erzählers/-in interpretiert werden kann, wird nicht angenommen (vgl. S.150).
 
Weiter kann die Renovierung des Hauses als Utopie gesehen werden, und als fehlenden Realitätsbezug Steins. Der/Die Ich-Erzähler/-in beschreibt beim Anblick und der Führung durch das Haus, in welch ruinösem Zustand sich dieses befindet. Die Idee Steins, all die kaputten und heruntergekommenen Sachen zu reparieren, macht einen unmöglichen, ja utopischen Schein (vgl. S.148-150).
 
Das Abbrennen des Hauses könnte dann die Zerstörung der gemeinsamen Zukunft, welche sich Stein mit dem/der Ich-Erzähler/-in in dem Haus vorgestellt hat, darstellen.
 
Anstatt das Haus aber als Scheitern einer Existenz zu sehen, stellt es eher das Scheitern der einseitigen Beziehung dar. Dadurch, dass das Haus "ein großes, zweistöckiges Gutshaus aus rotem Ziegelstein ... [ist] und "ein skelettiertes Giebeldach mit zwei hölzernen Pferdeköpfen zu beiden Seiten" hat (S.148), kann vermutet werden, dass es sich um einen ehemaligen Prachtbau handelt. In welchem Zustand das Haus bis zu diesem Zeitpunkt war, kann synchron mit der Entwicklung der Beziehung von Stein und der Ich-Erzählerin gesehen werden. Der ehemalig gute Zustand, was die häufigen gemeinsamen Autofahrten vermuten lassen (vgl. S.141 f.), ihrer Beziehung, ist nach dessen Ende, wie bei dem Haus verloren gegangen.
 
Der Fakt, dass die Beziehung zwischen Stein und der Protagonistin einseitig von Stein ausgeht, jedenfalls nach dem Schluss ihrer Beziehung, wird schon zu Beginn der Erzählung klar. So ruft nach zwei kontaktlosen Jahren nicht etwa die Ich-Erzählerin an, sondern Stein (vgl. S.139). Der weitere Verlauf des Telefonats gründet sich ebenfalls auf Steins Willen zu reden. So redet die Protagonistin nur zögerlich mit ihm (vgl. S.139), oder beantwortet seine Fragen nur kurz und knapp (vgl. S.140). Stein schickt die Postkarten an die Erzählerin auch ohne Antworten zu bekommen, sondern nur, damit sie sie lesen und in eine Schublade packen kann (vgl. S.155 f.).
 
Das ist allerdings nicht auf eine Bequemlichkeit der Erzählerin zurückzuführen. Bequemlichkeit nicht, da sie hätte gar nicht mitkommen müssen, um das Haus zu besichtigen (vgl. S.140).
 
Mangelndes Interesse kann auch nicht der Grund sein. So fällt der Protagonistin nichts ein, wenn Stein auftritt (vgl. S.139), was auf noch immer bestehende Gefühle für ihn hindeutet. Auch als sie nach Steins Hand greift, stellt die Ich-Erzählerin fest, Steins Berührung nicht mehr verlieren zu wollen (vgl. S.149). Zuletzt steht die Protagonistin "zehn Minuten lang stumpfsinnig vor dem Herd herum" (S.156), nachdem sie erfahren hat, dass das Haus abgebrannt und Stein vermisst ist (vgl. S.156). Das stellt den Schock dar, in welchem sich die Ich-Erzählerin zu diesem Zeitpunkt befindet, da sie sich Sorgen um Stein macht. [<nowiki/>[[Benutzer:LeWNSG|LeWNSG]]]

Version vom 11. Januar 2021, 08:21 Uhr

Als die Ich-Erzählerin das Haus zum ersten Mal sieht, wirkt es aus ihrer Sicht, als „würde es jeden Moment lautlos und plötzlich in sich zusammenfallen“ (S. 148). Sie verdeutlicht die Fragilität des Hauses, indem sie erklärt, wie vorsichtig sie die Autotür zustößt, um ein Zusammenbrechen des Hauses zu vermeiden. Das Haus beschreibt sie als „stolzes Schiff“ (S. 148), welches schon vor langer Zeit in Canitz gestrandet ist.

„Es war ein großes, zweistöckiges Gutshaus aus roten Ziegelsteinen, es hatte ein skelettiertes Giebeldach mit zwei hölzernen Pferde zu beiden Seiten, in den meisten Fenstern waren keine Scheiben mehr“ (S. 148). Auf der windschiefen Veranda findet man dichtes Efeu und in den Mauern „daumendicke Risse“ (S. 148).

Auf dem Grundstück befinden sich „Mülltüten und Schrott“ (S. 149). Dies verdeutlicht die Verwahrlosung des Hauses und der Gegend, es wird als Müllkippe genutzt.

Außerdem standen alle Türen des Hauses offen oder „waren nicht mehr vorhanden“ (S. 149), was die Sicherheitsmängel illustriert. Jeder beliebige könnte das Haus betreten. Bestätig wird dies durch verschiedenste Markierungen an den Wänden: „Geh zu ihr, und lass deinen Drachen steigen. Ich war hier. Mattis. No risk, no fun“ (S. 150). Das Haus wurde in der Vergangenheit von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt.

Trotz all der Mängel beschreibt die Ich-Erzählerin als „schön“ (S. 148). „Es war das Haus“ (S. 148), für sie hat dieses Haus eine große Bedeutung, denn sie nennt es explizit „das Haus“, nicht irgendein Haus, sondern man könnte meinen, das einzig wahre. [FeBNSG]

Nachdem Stein Monate mit der Renovierung des Sommerhauses verbracht hat, schickt er der Ich-Erzählerin in einem letzten Brief einen Zeitungsartikel, in dem über das nun abgebrannte Sommerhaus berichtet wird. Brandstiftung wird bei dem Feuer nicht ausgeschlossen. Könnte Stein also der Brandstifter sein?

Zunächst erscheint es unwahrscheinlich, dass jemand ein Haus abbrennt, für das man 80.000 Mark bezahlt hat und mehrere Monate mit der Renovierung beschäftigt war. Andererseits könnte das Haus ein Symbol für die Beziehung zwischen Stein und der Ich-Erzählerin sein. In ihren Anfängen war zwischen ihnen alles in Ordnung, so wie das Haus in der Vergangenheit auch einst schön anzusehen war. Mit dem Ende der Beziehung begann auch der Zerfall des Hauses. Letztendlich ist das Haus nur noch eine Ruine, Stein und die Ich-Erzählerin haben sich in den vergangenen zwei Jahren entfremdet. Als Stein mit der Renovierung des Hauses beginnt, wird auch der Kontakt zwischen ihnen wieder intensiver. Stein selbst schlägt vor, das Haus in der Zukunft zusammen zu nutzen, entweder alleine, oder mit ihrer Freundesgruppe zusammen.

Da die Ich-Erzählerin jedoch auf keine der Karten geantwortet hat, hat er möglicherweise die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit ihr aufgegeben. Mit dem Abbrennen des Hauses symbolisiert er, dass er es aufgegeben hat und schickt ihr den Zeitungsartikel um ihr diese Nachricht zu vermitteln.

Die Ich-Erzählerin schickt zwar auf keine seiner Karten eine Antwort, dennoch freut sie sich jedes Mal, wenn sie eine erhält und ist sogar enttäuscht, wenn mal keine kommt (S. 155). Er schreibt ihr in vielen der Briefe „... wenn du kommst“, und sie entscheidet sich dazu, auf eine direkte Aufforderung zu warten (S.155). Dies zeigt, dass der Ich-Erzählerin sehr wohl etwas an Stein liegt, sie jedoch zu Feige ist, aktiv zu handeln. Sie hat Angst davor, was sich in der Zukunft ändern wird, wenn sie Steins Einladung akzeptiert, somit entscheidet sie sich, erst einmal alles so zu belassen, wie es ist. Ein Indikator hierfür ist vor allem, dass sie, nachdem sie den Artikel über das Sommerhaus gelesen hat, sich nur „später“ denkt. Sie schiebt somit ihre Emotionen und ihre Reaktion weiter in die Zukunft auf, da sie sich in dem Augenblick nicht mit diesem Thema beschäftigen möchte.

Letzten Endes stellt das Sommerhaus einen Ort einer gescheiterten Existenz, beziehungsweise das Scheitern einer eher einseitigen Beziehung dar.

Stein hat anfangs diese utopische Vorstellung, dass das Sommerhaus die Beziehung zur Ich-Erzählerin wieder erneuern kann und beginnt mit dieser Hoffnung das Sommerhaus instand zu setzen. Dass er möglicherweise das Sommerhaus zum Schluss selber abgebrannt hat, zeugt davon, dass er realisiert hat, dass seine Bemühungen quasi umsonst waren und zeigt, dass zwar nicht unbedingt seine Existenz, allerdings die Beziehung zwischen den beiden gescheitert ist. [JaBNSG]

Abb.: Pippi Langstrumpf - Villa Kunterbunt. cc: Maia Parmakova. pinterest 2020.

Fazit: Das Sommerhaus ist sowohl als utopische Idylle, als auch als Ort der gescheiterten Existenz zu verstehen. Mit Hilfe des Hauses möchte Stein seinen Traum, das Zusammenleben mit der Ich-Erzählerin, verwirklichen. Er kauft das Haus, um eine Heimat für die Liebe zu schaffen. Das Haus ist in einem desaströsen Zustand, ähnlich wie die kaputte Beziehung zwischen Stein und der Ich-Erzählerin. Nun möchte er die Beziehung, symbolisiert durch das Haus wieder neu aufbauen. Hierfür eignet sich das Haus wunderbar: Stein möchte es selbst renovieren und kann es seinem eigenen Stil und Bedürfnissen anpassen.

Diese Wunschvorstellung scheitert jedoch. Drei verschiedene Faktoren könnten für das Scheitern verantwortlich sein: die Bequemlichkeit, das fehlende Interesse, oder auch die Feigheit der Ich-Erzählerin, münden in der Hoffnungslosigkeit Steins. Das Abbrennen des Hauses zeigt dies. Stein zerstört eigenständig die Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft. [FeBNSG]


So (Abb.) in etwa stelle ich mir das Sommerhaus vor. Es ist zwar nicht so stark heruntergekommen, ähnelt aber der Form, welche ich mir vorstelle. Um tatsächlich dem Sommerhaus zu entsprechen, müssten die Fenster kaputt sein und Fensterläden herunterhängen. Zudem müsste es aus Ziegelstein bestehen und hölzerne Pferdeköpfe müssten an beiden Seiten sein.

Stein als Brandstifter?

Ich denke, dass Stein der Brandstifter sein könnte. Nach jeglichen gescheiterten Versuchen, das Interesse der Ich-Erzählerin zurückzugewinnen, entschließt sich Stein nach monatelangen Renovierungsarbeiten, das Haus abzubrennen, was darstellt, dass die Ich-Erzählerin hätte auf ihn zukommen sollen, und dass Chancen nicht ewig bleiben (vgl. S.153-156).

Die Reaktion

Die Ich-Erzählerin liest den Zeitungsartikel dreimal (vgl. S.156). Das zeigt, wie schockiert sie ist und und nicht glauben kann, was in diesem steht. Als Falk, mit wem sie in einer Beziehung zu sein scheint (vgl. S. 156) fragt, was sie gelesen habe, antwortet sie mit "nichts" (S.156). Das deutet an, dass ihre Gefühle für Stein nicht erloschen sind. Als sie dann aufsteht und "stumpfsinnig vor dem Herd herum"steht (S.156), wird der Schock erneut deutlich.

"Später"

Das abschließende "Später" (S.156), welches die Erzählung beendet, beendet auch die Beziehung der Ich-Erzählerin mit Stein. Ihre Eigenschaft, alles aufzuschieben und nicht aus eigener Initiative zu handeln, wird mit diesem "Später" ( S.156) zusammengefasst. Die Ich-Erzählerin handelt nämlich, vor allem in Bezug auf die Beziehung mit Stein, nicht von selbst. Sie wartet auf eine klare Einladung Steins, mit ihm in das Haus zu ziehen (vgl. S.155). Das kann man auch so deuten, dass sie Angst hat, die Postkarten als ein Zeichen zu sehen, obwohl sie keine sein sollen, und verletzt werden würde, wenn sie auf Stein zuginge und abgelehnt werden würde. [LeWNSG]