Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss/Das Haus in der Dorotheenstraße/Figurenanaylse

Aus ZUM Projektwiki

Figurencharakterisierung des Protagonisten Gottfried Klausen der Novelle "Das Haus in der Dorotheenstraße":

Die Novelle "Das Haus in der Dorotheenstraße" verfasst von Hartmut Lange im Jahr 2013 thematisiert den Beziehungskonflikt des Ehepaares Klausen im Hinblick auf die Reaktionen und Veränderungen des Ehemanns Gottfried Klausen. Da die Novelle ein offenes Ende aufweist, lässt sie dies bezüglich unterschiedliche Deutungshypothesen zu. Die Flucht nach Island mit einem anschließenden Gespräch des Ehepaares, statt der direkten Konfrontation in Berlin oder einer Tötung seiner Frau, ist ein möglicher Ausgang der Novelle.

Gottfried Klausen, welcher in Berlin lebt, ist der Protagonist der Novelle "Das Haus in der Dorotheenstraße" und verheiratet mit seiner Frau Xenia. Klausen ist ein äußerst gebildeter und erfolgreicher Mensch, was sich auch in seinem Berufsleben widerspiegelt (vgl. Z. 25. S. 74 + Z. 8-12. S. 77).

Er ist ein Gewohnheitsmensch (vgl. Z. 16-18. S. 80 + Z. 13. S. 77) und in vielen Bereichen des Lebens ein Rationalist und Pragmatiker (vgl. Z. 16-18. S. 80), erkennbar auch daran, dass er kein anderes Verkehrsmedium auswählte, um nach dem Vulkanausbruch trotzdem  zu seiner Frau Xenia nach Berlin zu gelangen. Betrachtet man diese Situation aus einer rational pragmatischen Sicht, aus einer Sicht die Klausens primäre Verhalten- und Denkweisen widerspiegelt, so würde man sich wohl die Frage stellen, ob sich der gestiegene Zeitaufwand der Anreise für die Dauer des Aufenthaltes lohnen würde, den unumstritten ist, dass das Flugzeug wohl das schnellste Medium ist, um von London nach Berlin zu gelangen. Nehmen wir somit an, dass Gottfried Klausen bei dieser Rechnung zu einem negativen Saldo gelangt ist, so wäre aus der Sicht eines Rationalisten und Pragmatikers geklärt, warum Klausen kein anderes Medium für seine Reise nach Berlin wählt. Auch sein Handeln folgt primär den Maßstäben der Vernunft und der Logik (vgl. Z. 17-26 S. 78). Trotz seiner oft rationalen Denkweise hat er einen Sinn für kunstvolle und ästhetische Gestaltungen, auch wenn deren Inhalte ihm oft vorerst nicht zusagen (vgl. Z. 8-9 S. 78).

Gottfried Klausen ist ebenfalls ein Mensch, der der Selbstreflexion und in gewisser Hinsicht auch der Selbstkritik fähig ist (vgl. Z. 27- 6. S. 82-83). Gefühle wie Eifersucht und Leidenschaft erscheinen ihm unverständlich und "fremd", wie auch an seiner Reaktion auf seinen ersten Besuch des Theaterstücks „Orthello“ deutlich wird (vgl. Z. 24-7. S. 77-78). Zugleich lässt er aber ein starkes Bedürfnis nach Gemeinschaft und Sicherheit erkennen (vgl. Z. 6-8. S. 76 + S. 90 ff.)

In der Regel bleibt Klausen auch während Problematischen Situationen ruhig und gelassen und versucht die aufgetretene Problematik zunächst durch eine rationale Betrachtung unter Kontrolle zu bekommen, um einen fundierten und durch dachten Lösungsansatz zu finden (vgl. Z. 6-9. S. 82). Sobald Klausen emotional in das Geschehen eingebunden ist, versucht er vorerst mit seiner gewohnten rationalen Herangehensweise die Problematische Situation zu lösen und so die Kontrolle über die Geschehens zurück zu gewinnen (vgl. Z. 18-19 S. 87 + Z.3-4 S.89) , doch diese verhilft ihm in emotionalen Angelegenheiten nicht zur Findung einer befriedigenden Lösung/Erklärung, sodass er dann mit Verunsicherung und mit einem Verlust des Selbstvertrauens und der Selbstkontrolle auf diese Unsicherheit und den Verlust der Kontrolle reagiert (Z. 3 + Z. 8-14 S.90). Anstatt sich einer emotional Problematischen Situation zu stellen, reagiert Klausen eher mit Flucht als mit Konfrontation (vgl. Z. 13-14. S. 87 + Z. 15. S. 91).

Auch die Berücksichtigung des Instanzenmodells des Psychologen Sigmund Freud, welcher davon ausgeht, dass die Persönlichkeit und das Handeln eines Individuums von den drei Instanzen "Es, Ich und Über Ich" gesteuert wird, unterstützt die zu Anfang aufgestellte Deutungshypothese. An Hand der vorgenommenen Charakterisierung des Protagonisten Gottfried Klausen wird deutlich, dass sein Handeln und seine Denkweisen überwiegend auf der Vernunft und der Rationalität beruhen (siehe Z. 17-26 S. 78). Das Über-Ich, die moralische Instanz, welche Verbote und Gebote achtet, nimmt also bei der Steuerung seines Verhaltens und seines Denkens eine entscheidende Rolle ein.

Aber auch der kritische Verstand und die Beibehaltung der Kontrolle sind charakteristische Eigenschaften der Figur Klausen, was unteranderem an seinem selbst reflektiertem Verhalten (siehe Z. 27-6. S.82-83) oder auch an seiner ersten Wahrnehmung des Theaterstückes "Orthello" zu erkennen ist (siehe Z. 24-7. S. 77-78). Somit nimmt auch das Ich eine entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Figur Klausen.

Während emotional problematischen Situationen bekommt die Instanz des Es, welches das Lustprinzip und die Bedürfnisse des jeweiligen Individuums verkörpert, einen immer größer werden Einfluss auf sein Verhalten (siehe Z.3 + Z.8-14 S.90). So wäre eine Flucht des Protagonisten nach Island plausibel, da er die Kontrolle über das Gesehen verloren hat, seine altbewährten Herangehensweisen (Über-Ich) nicht mehr zu einer befriedigenden Erklärung des Geschehenden führen und daher die Instanz Es überwiegend die Steuerung seines Verhaltens übernimmt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Über-Ich weiterhin Einfluss auf seine Handlungen nimmt, wie daran zu erkennen ist, dass er emotional problematischen Situationen vorerst versucht mit dem alten Handlungs- und Denkschema zu lösen (siehe Z. 18-19 S. 87 + Z.3-4 S.89). Außerdem wäre ein Rückzug aus der problematischen Situation ein Weg um die Kontrolle über die Situation und die eigene Person zurückzugewinnen.

So befriedigt eine Flucht nach Island sowohl die moralische Instanz des Über-Ichs, als auch das nach dem Lustprinzip handelnde Es, sodass man von einem eingestellten „Gleichgewicht“ der beiden Instanzen sprechen kann, dem Ich, dass sein Verhalten bei einer Flucht nach Island überwiegend beeinflusst und steuert, allerdings mit einer leichten Tendenz zur der Instanz des Es.

Stellt man nun eine Verbindung zu einer Einordnung nach Archetypen her, so wird auch hier durch die Charakterisierung deutlich, dass Gottfried Klausen auf alltäglichen Situationen mit Vernunft und einen rationalen Verhalten reagiert und somit dem Archetyp des Weisen, welcher Charaktereigenschaften wie fleißig und exakt beschreibt, zuzuordnen ist. Außerdem sind Expertise, Fakten und Wahrheit für Personen die dem Archetypen „Weise“ entsprechen, sehr wichtig. Diese Eigenschaften kommen besonders im ersten Theaterbesuch Klausens zum Vorschein (siehe Z. 19-27 S. 77). Auch wenn diese Eigenschaften im fünften und sechsten Kapitel der Novelle nicht mehr eindeutig wiederzufinden sind (siehe S. 87- 93), muss berücksichtigt werden, dass Klausen sich während dieser Kapitel in einem emotionalen Ausnahmezustand befindet. So ist zusammenfassend zu sagen, dass Klausen überwiegend dem Archetypen „Weise“ zuzuordnen sind, sein Verhalten und seine Denkweisen sich allerdings während emotional belasteter Situationen verändern, aber nichts desto trotz noch Züge der Alten rationalen Vorgehensweise zu erkennen sind (siehe Z. 18-19.S. 87). So deutet sich ihr eine Mehrdimensionalität der Figur Gottfried Klausen an, da sich die Figur im Laufe der Erzählungen einem Wandel unterzieht, der sich in ihren Verhaltens- und Denkweisen äußert.

Hinsichtlich der zu Anfang aufgestellten Deutungshypothese bezüglich des offenen Endes der Novelle ist zu sagen, dass Gottfried Klausen primär ein rationales, pragmatisches und reifes Handlungsschema aufweist, mit Ausnahme der Angelegenheiten, die von ihm mit Emotionen besetzt sind. Aufgrund der erfolgten Analyse halte ich es hinsichtlich des Endes der Novelle für plausibel, wenn Klausen auf eine solche Situation, die von Unsicherheit und einem Verlust der Kontrolle geprägt ist, mit Rückzug reagiert, da ihm sein primär angewandtes Handlungsschema in dieser Situation nicht zur Lösung des Konfliktes verhilft und er daher mit der Situation überfordert ist und sich in Folge dessen aus dem Konflikt durch Flucht herauszieht, um dann möglicherweise die Kontrolle zurückzugewinnen und anschließend ein klärendes Gespräch mit seiner Frau Xenia zu führen.


Analyse des fünften Kapitels                                                                                            Zoe Pollmann

Aufgabe: Analysiere Kapitel fünf (S.87-89) schriftlich hinsichtlich der angewendeten erzählerischen Mittel. Formuliert einen Funktionszusammenhang der Gesamtintention der Erzählung.

Die Novelle „Das Haus in der Dorotheenstraße“ geschrieben von Harmut lange erschien 2013 in einem Sammelband. Es handelt um den Protagonisten Gottfried Klausen, der unter Eheproblemen leidet.

Gottfried Klausen zog aufgrund seiner Arbeit nach London. Als seine Frau jedoch nicht wie abgemacht ebenfalls nach London hinterherkommt, bucht Gottfried Klausen ein Flugticket zurück nach Berlin.

Das fünfte Kapitel handelt nun davon, wie er durch einen Vulkanausbruch von dieser Reise abgehalten wird. Gottfried sieht aus seinem Büro die Aschewolken des Vulkanausbruches und, da er den Flug deshalb nicht antreten kann besucht Gottfried ein zweites Mal das Theaterstück „The Tradegy of Orthello“, welches er jedoch frühzeitig wieder verlässt.

In Bezug auf die gesamte Novelle spielt das fünfte Kapitel eine wichtige Rolle. Dies wird durch die zahlreich eingesetzten erzählerischen Mittel verstärkt, sodass der Rezipient in diesem Kapitel besonders zum denken angeregt wird.

Die Novelle das Haus in der Dorotheenstraße wird durch einen Er/Sie-Erzähler vermittelt. Harmut Lange liefert dem Rezipienten keine Informationen zum Charakter des Erzählers, der Herkunft oder in welcher Verbindung er zu den Charakteren der Novelle steht. In diesem Kapitel nimmt der Erzähler nimmt die Außenperspektive ein, da er keine Figur der Handlung ist. Dabei vermittelt er jedoch nicht nur die Außensicht, in dem er den Vulkanausbruch und das Handeln Gottfrieds beschreibt, sondern auch die Innensicht, indem er Gottfrieds Gedanken wiedergibt (S.87, Z.17ff). Dies hat die Funktion, dass eine gewisse Distanz zwischen Gottfried und dem Erzähler entsteht, sodass dem Rezipienten Deutungsmöglichkeiten und eine mögliche Identifikation mit Gottfried in diesem Kapitel ermöglicht wird.

Die Gestaltung der Zeit ist ebenfalls eine wichtige Form der erzählerischen Mittel, mit dem bestimmte Situationen des Kapitels hervorgehoben werden und andere in den Hintergrund gesetzt werden. Eine dieser Gestaltung ist die sogenannte Zeitdehnung. Diese bezeichnet eine detaillierte Beschreibung, welche sich in der Beschreibung der Situation, in der Gottfried im Theater ist, zeigt. Während das Verlassen eines Theaters besonders detailliert und ausführlich dargestellt wird, wird der Vulkanausbruch mit Hilfe einer Zeitraffung nur knapp und oberflächlich dargestellt. Dies lässt sich mit der Gesamtintention der Novelle in den Zusammenhang bringen. Die Novelle hat ein offenes Ende, wodurch beim Rezipienten die Frage ausgelöst wird, wie das Ende ausgehen könnte. Über die ganze Novelle verteilt werden dem Rezipienten dahingehend Interpretationsmöglichkeiten und mögliche Informationen gegeben, um das Ende individuell zu interpretieren. Dies geschieht auch an dieser Stelle. Über den ursprünglichen Vulkanausbruch und darüber, wie Gottfried mit dieser Situation umgeht werden wenig Informationen gegeben, sodass die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf eine andere Situation gelenkt werden soll und der Rezipient sich ein eigenes Bild davon machen muss, wie Gottfried in dieser Situation wohl handelt oder was er denkt. Durch die darauffolgende detaillierte Beschreibung von Gottfrieds Gedanken und dem Theaterbesuch wird die Aufmerksamkeit dorthin gelenkt. Dies hat die Funktion, dass der Rezipient sich gezielt mit der Situation, die Gottfried im Theater erlebt versucht auseinanderzusetzten. Zum einen wird dem Rezipienten hiermit ein Einblick in Gottfrieds Gedanken (S.87, Z17ff) geschaffen, um mit ihm zu fühlen. Zum anderen wird der Gedankengang Gottfrieds im Theater (S.88, Z. 15-25) in den Vordergrund gerückt. Dies hat die Wirkung, dass der Rezipient in seiner Vorstellung über das Ende beeinflusst wird, da in den Vordergrund gerückt wird, dass Gottfried das Theater verlässt bevor die Frau getötet wird und dies für „geschmacklos“ hält (S.88, Z.24). Somit wird dem Rezipienten der Eindruck vermittelt, dass Klausen seine Frau nicht umbringen würde.

Eine weitere Gestaltung ist die leichte nicht lineare Struktur. Diese Struktur lässt sich zwar nur in Gottfrieds Gedanken finden, trotzdem wird der Rezipient durch einen Rückblick an eine bereits geschehene Situation erinnert. Gottfried erinnert sich in Gedanken an das Telefonat mit seiner Frau zurück, in dem er sie lachen hörte und malt sich Szenarien aus, was die Männerstimme auf sich hat. Dieser Ausführliche Einblick der mit einem Rückblick verbunden wird ist einer der wenigen Textstellen der Novelle, in der es dem Rezipienten direkt ermöglicht wird mit einer der Charakteren zu fühlen, ihre Gedanken zu erfahren und verschafft somit einen Reflexionsimpuls für den Rezipienten. Der Rezipient wird also dazu angeregt sich zu fragen, wie er in der Rolle Gottfrieds handeln würde und ob er ähnliche Gedanken hätte.

Einerseits die Deutungsfreiheit und andererseits die Reflexionsimpulse, werden zusätzlich durch die Darbietungsformen, die dem Erzähler zu Verfügung stehen ermöglicht und verdeutlicht. Auch hier wird die szenische Darstellung des Theaterbesuches genutzt, um diesen in den Vordergrund zu stellen. Ebenso wie das Verlassen des Theaters. Im Gegenzug dazu der Erzählerbericht mit der knappen Darstellung des Vulkanausbruches.

Mit der Wiedergabe einzelner Zeilen des Theaterstückes, in denen die Frau nach den Worten „Put out the light“ getötet wird, wird der Rezipient erneut in die Richtung gelenkt, dass Gottfried seine Frau Umbringen könnte. Mit einer Art von Erzählerkommentar, die darauffolgt, wird diese Deutungsmöglichkeit jedoch nahezu widerlegt. Der Erzähler stellt aus der Außensicht eine Frage in den Raum, die der Rezipient und Gottfried beantworten sollen. Somit ist hier eine erneute Identifikationsmöglichkeit des Rezipienten mit Gottfried gegeben. Da dieser die Frage mit „Nein“ beantwortet (S.88, Z.22) und das Theater verlässt (S.88, Z.25) wird die These, dass er seine Frau umbringen könnte wiederlegt und der Interpretationsfreiraum wieder eingeschränkt. Die wörtliche Rede Gottfrieds, die an dieser Stelle eingebaut ist zeigt anders wie als wenn der Erzähler sie wiedergeben würde, dass sich der Erzähler nicht von Gottfried distanziert und somit möglicherweise ebenfalls mit nein auf die Frage antworten, sodass der Rezipient auch dazu geleitet wird sich mit der Antwort zufrieden zu geben. Außerdem unterstützt die wörtliche Rede die scheinbare Entschlossenheit Gottfrieds das Theater zu verlassen.

Somit wird zusammenfassend deutlich, dass die verschiedenen technischen Erzähler-Methoden den Deutungs-, Interpretations- und Reflexionsraum in diesem Kapitel teilweise einschränken aber auch erweitern. Die Gesamtintention der Erzählung, dem Leser die Chance zu geben sich in eine mehr oder weniger „Alltagssituation“ beziehungsweise sich in eine solche Gefühlssituation hineinzuversetzen wird mit diesem Kapitel voll und ganz unterstützt.